1987 - 1989 |
Der Neubeginn Jögi war immer heiß
darauf, 1 oder 2 Backgroundsängerinnen in der Band zu haben. Mein Fall war das nie, aber ich ließ mich auch gern von der Notwendigkeit überzeugen, wenn's was bringt. Die Jungs hatten bereits ein
umfangreiches Titelkonzept erarbeitet. Es sollte sich im Repertoire sehr viel ändern, die Musik anspruchsvoller werden. Das war ja nun mit Keyboards und 2 Gitarren auch gut machbar. Ralf und Jögi hatten viele Songideen, die uns vom
Einheitsbrei vieler anderer Coverbands unterschieden. Wer spielte schon Scorpions, Bruce Hornsby oder David Lindley? Ende April wurden tatsächlich 2 Sängerinnen gefunden: Anke aus Sollstedt und
Silke aus Bleicherode. Anke sang sehr beeindruckend "Mercedes Benz" von Janis Joplin vor. Das bedeutete, dass sie Hauptsängerin werden sollte. Silke, zu dem Zeitpunkt 16 Jahre alt, wollte freiwillig den Background
übernehmen. Die Proben begannen. Unser neuer Proberaum befand sich im ehemaligen Gebäude der "Volkssolidarität" am Stadtpark. Dort hatten wir einen Gewölbekeller zur Verfügung, der
ausreichend groß war. Wir besorgten uns Eierpappen, die an die Wände geklebt und gespritzt wurden, um den Schall zu dämpfen. Von Anfang an begann Jögi, die Anlage zu verbessern und zu erweitern. Ich weiß garnicht, ob er in dieser
Zeit überhaupt andere Arbeiten erledigen konnten. Er war ständig nur am Bauen von YOGA-Equipment. Der Mann konnte aber auch alles! Er baute Endstufen, Boxen, Gitarrenverstärker, Gitarreneffektgeräte, Lichtsteuergeräte, wickelte
Lautsprecher um und Vieles mehr. So hatten Ralf und ich bald neue Verstärker und neue Verzerrer für unsere Gitarren - alles Eigenbauten. Es blieb nicht aus, dass Eigenkonstruktionen von Jögi nicht
so klangen, wie er sich das vorstellte. Er war immer nur am Experimentieren. Also wurden wieder neue Boxen gebaut, und wieder und wieder! Manches Mal zeigte sich erst in der Praxis, ob die Teile bandtauglich waren.
Jögi war es auch, der als Einziger Silke's Gesangstalent erkannte. Wir anderen sahen das einfach zu dem Zeitpunkt noch nicht. Sie sang nicht schlecht, aber eben auch nicht überragend gut. Bis zu unserem ersten
Liveauftritt übten wir fast ein ganzes Jahr. Das war nicht verwunderlich, denn es waren zum größten Teil neue Songs zu üben und außerdem waren wir in der neuen Besetzung überhaupt noch nicht aufeinander eingespielt. Das
ist so wie bei einem Motor, der erst mal eingefahren werden muß. Am Anfang läuft es noch nicht rund. Diese Phase ist nervenaufreibend und zehrt an den Kräften. Da hilft nur eins: Augen zu und durch, wenn man was erreichen will. Und
wir wollten! Wir probten sehr ernsthaft und intensiv jede Woche. Das erste Ziel hieß mal wieder "Einstufung", denn ohne ging ja nichts im Staate DDR. Jögi hatte durch unzählige Kontakte
und Beziehungen seine Finger überall drin - auch beim Kreiskulturkabinett. So schaffte er es mit einer Flasche gutem Cognac, dass er, Ralf und ich aufgrund früherer Einstufungen unsere "Oberstufenpappen" bekamen, während
unsere Neuzugänge die Mittelstufe erhielten, was für "Neumusiker" ja auch nicht üblich war (habe ich bereits ausführlich erklärt). Die Oberstufen kamen uns zugute bei der Höhe unserer Gagen. Diese Einstufung wurde von uns
auch wieder privat finanziert und fand im Klubhaus Bleicherode in einer unwahrscheinlich relaxten Art statt. Es war eigentlich nur reine Formsache. Mit unserer "neuen Musik" erweckten
wir bei den Kreis-Polit-Kultur-Oberen erste Aufmerksamkeit. Man bot uns an, im Oktober 87 in Mühlhausen zur Bezirkswerkstattwoche der Amateurmusiker als Teilnehmer aus dem Kreis Nordhausen mitzumachen. Das war uns nicht so sehr
recht, denn es bedeutete Streß! Außerdem fühlten wir uns dem musikalisch noch nicht gewachsen. Dort kamen immerhin die besten Bands des Bezirkes zusammen, und jede Band mußte ein Konzert geben. Jögi war die Sache gleich garnicht
recht, denn für ihn bedeutete das 1 Woche Arbeits- und damit Verdienstausfall. Als Teilnehmer wollten wir also nicht mitmachen. Da gab es aber noch eine andere Möglichkeit. Man konnte sich als Beobachterband beteiligen. Und genau
das taten wir. Eine gute Begründung für die Absage als aktive Teilnehmer hatten wir auch parat. Franki mußte zu der Zeit zur Kur. Also war damit das Thema durch und wir wurden delegiert als Beobachterband. Für uns bedeutete das
eine willkommene und obendrein bezahlte Woche Urlaub von der Arbeit, da die FDJ (Freie Deutsche Jugend) bei unseren Arbeitsstellen bezahlte Freistellungen erwirkte. Das war kein großes Problem, denn die Firmen waren staatlich und
Partei sowie FDJ hatten gewissen Einfluß bei kulturpolitischen Ereignissen. Man wählte also die Gruppe PAN aus Nordhausen aus, die als aktive Teilnehmer auftreten sollten. Wir boten PAN an, unsere
Anlage zur Verfügung zu stellen, da diese besser war. So lief die Sache dann auch. Für uns war es eine herrliche Zeit. Wir waren in einer Schule in Klassenzimmern untergebracht. So ca. 20 Mann auf einer Bude. Einfach cool. Tagsüber
haben wir die verschiedensten Workshops der Bands besucht und abends war dann immer ein Konzert einer Band angesagt. Der Alkohol floß in Strömen. Einmal bin ich in einer Bar recht trunkig vom Barhocker gekippt. Alles lachte. Wir
hatten alle riesigen Spaß. Es gab auch sehr interessante Konzerte zu bestaunen. In besagter Bar traten jeden Abend zu später Stunde Profibands auf. Da gab's natürlich viel abzugucken. Das Ganze glich stellenweise jedoch einem
Jahrmarkt der Eitelkeiten. Wer hatte das beste, teuerste Equipment. Wer die größten Boxen. Die Fahrerei zwischen Kleinberndten und Bleicherode wurde Mario bald zur Last. Auch waren seine Eltern
wohl mit den Umsätzen der Dorfkneipe nicht so recht zufrieden. So mußte Jögi wieder ran. Einer seiner besten Freunde war der damalige stellvertretende Bürgermeister von Bleicherode. Dank dieser connection bekamen Müllers innerhalb
kurzer Zeit eine Wohnung in Bleicherode und die Gaststätte "Post" als Arbeitsstelle. Beziehungen schadeten damals nur dem, der sie nicht hatte. Es wird so im Januar/Februar 88 gewesen
sein, da stand unser erster öffentlicher Gig in der neuen Besetzung an. "Tatort" war ein Jugendclub in Nordhausen-Ost. An den Gig selbst erinnere ich mich nicht mehr. Lediglich an eine Begebenheit, die wir uns heute noch
erzählen. Wir aßen in einer Spielpause eine Kleinigkeit. Ich hatte mir einen "Strammen Max" bestellt, also Schinkenbrot mit Spiegelei drauf. Das Essen kam wohl spät, so dass keine Zeit blieb, es in Ruhe zu verzehren. Jögi
machte Druck, dass wir weitermachen sollten, damit die Pausen nicht zu lang werden. Ich also das, vor Fett triefende, Schinkenbrot geschnappt und damit rauf auf die Bühne. Mund proppevoll, aus den Mundwinkeln sabberte das Fett
runter, wollte ich eine Ansage machen. Da hat Jögi einen Tobsuchtsanfall bekommen: ob ich noch ganz dicht wäre und dass er sowas nie wieder erleben möchte und und und... Aus heutiger Sicht würde
mir so etwas auch nie mehr im Traum einfallen. Damals haben wir uns um solche Sachen keinen Kopf gemacht. Alle mußten lachen, nur Jögi nicht. Er verlangte, wie sich später herausstellte, eiserne Disziplin zum Auftritt. Damit hatte
er sich bei unserem "flegelhaften" Haufen natürlich was vorgenommen! Wir waren nicht zimperlich, wenn es ums "daneben benehmen" ging. Eben, wie es sich für Rockmusiker gehörte. Wir bedienten das Klischee
beispielhaft. Von Kundenzufriedenheit hatte Niemand auch nur die blasseste Ahnung. Erst sehr viel später begriff ich, dass Jögi mit diesen strengen Maßnahmen den Erfolg zielstrebig vorantrieb.
Wenn's im Kleinen schon nicht klappte, wie sollte es da im Großen funktionieren? Dazu gehörte auch der Alkoholgenuß während der Gigs. Besoffen kann man nicht spielen. Ich will nicht sagen, dass
wir immer nur gesoffen haben. Aber jeder Ossi, der diese Zeit bewußt miterlebt hat, weiß, dass man im Osten schon recht trinkfreudig war. Bis zum Exzess ist es bei uns nie gekommen, aber der eine oder andere stand schon mal recht
angetrunken auf der Bühne. Jögi legte also fest: ein, zwei Gläser Rotwein vor dem Gig, um das Lampenfieber ein wenig abzubauen und locker zu werden. Während des Auftritts keinen Alkohol. Danach
konnte man sich die Kante geben. Das lief so auch hervorragend. Bei uns Sängern argumentierte er immer mit den Worten, dass Alkohol die Stimmbänder weich macht und man dadurch nicht mehr in der Lage ist, hoch zu singen. Das hat
sich mir bis heute eingeprägt. Nach diesem Gig mußten wir eine erste Enttäuschung einstecken. Anke kündigte ihren Job bei uns. Sie wollte in absehbarer Zeit in Ilmenau studieren und das wäre nicht
mit der Musik unter einen Hut zu bringen. Schade, aber nicht zu ändern. Also mußte Silke ran. Und sie bewährte sich hervorragend. Man konnte spüren, wie sie förmlich besser wurde. Dadurch konnten wir dann auch schwierigere Songs
ins Repertoire aufnehmen, die ich nicht singen konnte. Das brachte uns weiter voran. Es ging sehr gut ohne Anke. Dennoch gab Jögi nie auf und war ständig auf der Suche nach einer Backgroundsängerin. Er hatte wohl damals "Joe
Cocker" vor Augen: 3 Damen dezent im Hintergrund, mit Wahnsinnsstimme. Im Laufe der Zeit kamen immer wieder Mädels vorbei, um sich zu versuchen. Keine war gut genug. Meistens war es einfach nur schaurig. Unser 2. Gig fand in Bleicherode in der Turnhalle der Schillerschule statt. Es sollte ein Konzert werden. Zu diesem Gig hatten wir sogar eine Vorband. "Dirty Sound" aus Bleicherode. Mit dabei: ein gewisser
Mattze, ein gewisser Olsen, ein gewisser Emma. Sie himmelten uns an, waren Fans von uns. Und wir fühlten uns sooo groß! Ich weiß nicht mehr, wie sie ihre Sache damals machten. Hatte nicht die Muße, mir das anzuschauen. Wir
spielten unser Konzert und ernteten tosenden Applaus dafür. Hinterher "backstage" meinte ich dann nur zu Mattze: "Und, wann hört man mal was aus Eurer Feder?" Diese Geschichte hat er bis heute nicht
vergessen. Der Mann, der mittlerweile die meisten Stücke für EMMA schreibt und den ICH heute als hervorragenden Musiker und Komponisten sehr schätze. Tja, so geht's manchmal zu. Man trifft sich immer zweimal im Leben. |
Emma, Olsen und Mattze als “DIRTY SOUND” bei ihrem Gig in der Bleicheröder Turnhalle als Support-act für YOGA |
Jögi stellte bei diesem Gig fest, dass die Baßboxen nichts taugten, die er gebaut hatte. Also mußten neue her. Diesmal wollte er gleich "Nägel mit Köpfen
machen". Er gab 4 riesige "Kisten" bei einem Schreiner in Auftrag. Auch die Endstufen wurden immer leistungsfähiger. Irgendwann waren wir dann mal die Band mit der größten Anlage im Bezirk Erfurt. Es sprach sich rum, dass YOGA wieder im Geschäft ist, dazu noch besser als zuvor, und so häuften sich die Gigs. Wir spielten immer mehr und die Erfolgswelle schaukelte sich so richtig hoch. Ralf stellte mit der
Songauswahl wieder mal sein Talent unter Beweis. Wir hatten ein "Ärzte"-Set im Repertoire, welches vor allem die weiblichen Fans in Scharen anzog. Die "Ärzte" waren zu der Zeit total angesagt. Beim Song
"Micha" verkleidete ich mich als Cowboy und hatte 2 Spritzpistolen, mit Bier gefüllt, dabei. Diese wurden dann jedesmal ins Publikum gespritzt. Die Gaudi war riesengroß. Sowas kam unwahrscheinlich gut an. Party war
jedesmal angesagt. Bei "united" von Judas Priest sang ständig der ganze Saal mit. Irgendwann erfuhren wir, dass in 88 (den Monat weiß ich nicht mehr) in Nordhausen im Gehege ein Contest
aller Jugendtanzbands des Kreises stattfinden sollte. Als erster Preis winkte ein Pokal und 1000 stabile Ostblockeier (Mark). Wir entschieden uns, an dem Contest teilzunehmen. Am Tag des
Ausscheides fuhren wir gutgelaunt nach Nordhausen. Als wir durch die Stadt fuhren, blödelte ich rum und winkte aus dem Trabbi raus wahllos den Leuten zu. So wie es Honecker damals von seiner Tribüne aus machte. Die Leute auf der
Straße konnten damit natürlich nichts anfangen. Wir hatten einfach nur unseren Spaß. Es nahmen so ca. 5-6 Gruppen an dem Ausscheid teil. Der Platz im Gehege war gut gefüllt. Man schätzte ungefähr
2500 Besucher. Ich kann mich nicht mehr an Einzelheiten erinnern. Silke war so sehr aufgeregt, dass kurz zuvor ihre Stimme weg war. Zum Konzert war es aber zum Glück wieder okay. Wir waren zu der Zeit so gut bekannt und bei der
Jugend so sehr beliebt, dass mehrere 100 Fans von uns angereist waren. Einige hatten sich T-Shirts selbst bemalt mit "YOGA No.1" und ähnlichen Bekundungen. Das machte uns natürlich sehr stolz. Es kam, wie es kommen mußte.
Wir gingen aus dem Wettstreit als Sieger hervor, kassierten den Pokal und die Kohle. Im Anschluß an die Siegerehrung gab eine Leipziger Profiband dann noch ein kurzes Konzert. Danach waren wir zur Siegesfeier ins Nordhäuser
Kulturhaus eingeladen. Auch dort spielte ein Profiband, diesmal Jazz, Soul und Funk. Es war eine berauschende Siegerparty. Die Leipziger gratulierten uns auch und fanden, dass wir den ersten Platz verdient hätten.
Auf dem Heimweg hatten wir dann allen Grund, uns aus dem Fenster zu hängen und zu winken. Dazu sangen wir in die Nacht "YOGA holt den Weltpokal". Die Freude war unbeschreiblich! Das Geld konnten wir gut
gebrauchen, und 1000 Mark waren keine Kleinigkeit. Das verdienten wir zu der Zeit nicht während eines 5-Stunden-Gigs. Das Nordhäuser Kulturhaus leitete übrigens immer noch der
gleiche Chef, der uns 1984 so abfahren lassen und unsere Spielerlaubnisse verlangt hatte Noch in der selben Woche erhielt ich von besagtem Klubhausleiter aus Nordhausen einen Anruf. Er wollte einen Gig mit uns machen. Der Zeitpunkt der Rache war gekommen. Unter allergrößter Genugtuung erinnerte ich ihn
an den damaligen Gig und unser Versprechen, NIE wieder in seinem Haus aufzutreten. Und dabei bleibt es! Punkt! Ende aus die Maus! Wir haben während meiner Zeit bei YOGA tatsächlich nie wieder dort gespielt. Ich glaube, der Mann hat
auch nie wieder angefragt. Das Ganze passierte zu einer Zeit, wo wir uns das einfach leisten konnten. Viele Veranstalter wollten uns haben, weil wir Garant für ein volles Haus waren. Wir haben oft
darüber nachgedacht, was das Geheimnis unseres Erfolges sei. Berndchen drückte es mal, wie ich denke, sehr treffend aus. Er meinte, wir seien einfach "die netten Rocker von Nebenan". Wir waren ein super eingespieltes Team
- der Motor lief nun rund. Außerdem waren wir auch privat echt gute Freunde. Es gab kein Konkurrenzdenken unter uns. Jeder war gleichberechtigt. Keiner hängte den großen Star raus. Dazu hatte auch keiner einen Grund. Das war aber
nur die halbe Wahrheit. Uns war zu jeder Zeit der enge Kontakt zum Publikum mit das Wichtigste. Wir spielten uns nicht als "die Größten" auf, waren auch keine gestylten Poser. Wir traten in Jeans auf, kleideten uns so wie
das Publikum. Dadurch konnte sich Dieses mit uns identifizieren. Vor jedem Gig suchten wir den persönlichen Kontakt. Das lief oft so ab, dass sich der Eine oder Andere von uns einfach zu den Leuten an den Tisch setzte und small
talk betrieb oder Witze riß. Damit schafften wir gleich zu Beginn eine Brücke und hatten schonmal ein paar Leute auf unserer Seite. Eben die "netten Rocker von Nebenan". Es ist vor unbekanntem Publikum immer recht
schwierig, diesen ersten Kontakt aufzubauen, wenn man auf der Bühne steht. Oft muß man sehr spontan die Songauswahl ändern und erst einmal checken, auf was die Leute überhaupt abfahren. Durch die Gespräche vor dem Gig fanden wir
das jedoch schnell heraus und konnten uns entsprechend darauf einstellen. Das alles war jedoch nie bewußt geplant. Es passierte spontan. Wir waren einfach so in unserer offenen und lustigen Art. |
YOGA in neuer Besetzung (v.l.): Jögi, Frank, Meikel, Silke, Ralf, Mario |
Neue Gitarren müssen her Jögi war immer
nur damit beschäftigt, ständig alles zu verbessern und zu erweitern. Nie war er mit etwas so richtig zufrieden. Das trieb uns voran. An die Kohle, die das alles kostete, dachte er weniger. Jedenfalls zeigte er es uns nie. Er hatte einen sehr guten Freund, der Stadtober-FDJ'ler in Bleicherode war. Frieder, so sein Name, nutzte Anfang der 80er Jahre einen Westbesuch, zu dem er im Rahmen seines FDJ-Jobs delegiert war,
um dem sozialistischen Staat DDR den Rücken zu kehren. Er kam einfach nicht mehr zurück. War das eine Aufregung in Bleicherode! Es war wochenlang Stadtgespräch. Jögi kümmerte sich, gemeinsam mit seiner Frau Susi, nach Frieders
selbst genehmigtem Umzug in den Westen um dessen Eltern, die in Bleicherode lebten und gesundheitlich recht angeschlagen waren. Irgendwann so Ende 1988 hatte dann eine megaentfernt verwandte Tante von Jögi ein Jubiläum und er
schaffte es tatsächlich, die Behörden davon zu überzeugen, wie nahe ihm die Tante doch eigentlich stand und dass er sie unbedingt feiern müsse. Er bekam die Besuchsgenehmigung. Sein Weg führte jedoch nicht zur Tante, sondern
schnurstracks zu seinem alten Freund Frieder, der mittlerweile gutes Geld mit einer Videothekenkette verdiente. Wir hatten alle ein sehr ungutes Gefühl, dass Jögi nicht zurückkehren würde. Mit diesem Gedanken hatte er jedoch zu
keiner Zeit gespielt, wie er mir hinterher mal sagte. Er hatte in der DDR seine Frau, seine Tochter, sein Haus, seine Firma und nicht zuletzt wohl auch seine Band. Das alles hätte er nie aufgegeben. Jögi kam also zurück aus dem Westen. Und was hatte er gekauft? Jeder, der damals zu Besuch im Westen weilen durfte, brachte sich in erster Linie Jeans, Zigaretten und dergleichen mit. Jögi kam mit Musikequipment
wieder. Mehrere Mikrofone, die auf dem Schwarzmarkt Unsummen kosteten, ein digitales Effektgerät und Verschiedenes mehr. Der Oberhammer war jedoch ein 16-Kanal Dynacord-Mischpult. Das konnte er garnicht schleppen und hatte es per
Post geschickt. Mit dem Ding waren wir die Größten. Hätte uns in der DDR locker 15.000 Mark gekostet. Endlich vernünftiges Arbeitsgerät. Das ganze Zeug hatte Frieder bezahlt. Als Dank dafür, dass sich Jögi und Susi um seine Eltern
kümmerten. Frieder wollte, dass Jögi drüben bleibt. Zum Glück hatte er es nicht getan. So ging es ständig aufwärts mit YOGA. Jögi investierte ununterbrochen. Irgendwann kam er mal mit dem
Ergebnis, dass unser gesamtes Equipment einen Geldwert von 160.000 Mark hatte. Eine unvorstellbare Summe. Allerdings verlangte Jögi auch von uns, dass wir investieren. Das war nicht einfach bei einem Nettolohn von ca. 750 Mark.
Ralf's und meine Gitarren, die wir uns 1983 in der Tschechei gekauft hatten, waren ihm schon lange ein Dorn im Auge. Ich erinnere mich noch so, als wäre es gestern gewesen: wir spielten in Großfurra in einer Turnhalle. Während des
Soundchecks nervte Jögi mein Gitarrensound so sehr, dass er mich anbrüllte, ich solle mir endlich ein gescheites Teil kaufen. Worauf ich zurückbrüllte, dass ich keinen Geldscheißer habe und mir das Ding nicht aus den Rippen
schneiden könne. Ich war zutiefst beleidigt. Der hatte gut reden. Der verdiente mehr Kohle als ich. Ein paar Tage später, nachdem sich die Gemüter wieder beruhigt hatten, besprachen wir nochmal in
aller Ruhe das Thema. Mit dem Ergebnis, dass Ralf und ich die Kohle für neue Gitarren vom Bandkonto vorgeschossen bekommen und dieses von den Gagen dann wieder zurückgezahlt wird. Das war ein super Kompromiß, mit dem wir leben
konnten. Wir waren natürlich heiß auf neue Instrumente - logo. Es lag wirklich nur am Geld. Jögi kümmerte sich dann auch gleich und so fuhren wir kurze Zeit später nach Bad Frankenhausen in ein Musikgeschäft, wo man gebrauchtes
Westequipment bekam. Ralf kaufte sich eine IBANEZ und ich eine EPIPHONE. Seine kostete so um die 2500, mein Teil 3000 Ostmark. Das war schon ein Batzen Geld. Die Soundunterschiede waren aber auch entsprechend groß. Die Teile
klangen natürlich um Längen besser als unsere Tschechenklampfen. Wir haben beide diese Gitarren heute noch in unserem Besitz. |
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Franki und die Westkohle Während alle
ihr Geld für Instrumente mühsam zusammensparen mußten, ging es Franki in dieser Beziehung besser. Wie bereits weiter oben angedeutet, hatte er die connections, um an jede Menge Westgeld ranzukommen. Das zeigte sich schon bei seinem
Auto. Er fuhr einen VOLVO. Einmal sind wir damit zu einem Gig in Wipperdorf vorgefahren. Es war einfach geil. Wir kamen uns vor wie die größten Rockstars. Das machte Eindruck. Irgendwann mal fuhr
Franki (oder seine Frau?) das schöne Auto zu Schrott. Also mußte ein Neues her. Das war jedoch nicht einfach so zu bewerkstelligen. Diese Importautos waren für den DDR-Markt streng limitiert und nur den "Oberen
Zehntausend" vorbehalten. Ich erinnere mich an einen Spruch, der Ende der 70er Jahre kursierte: Fleißig, fleißig - die DDR wird Dreißig. Die Kleinen schuften wie ein Wolf, die Großen kaufen sich 'nen Golf.
Das sagte viel aus! Nun, unser Franki ist nie ein Freund des Staates DDR gewesen. Dies zeigte er auch recht offen in seinen Unmutsäußerungen. Als er seinen VOLVO nicht bekam, ging er kurzerhand zum Rat des
Kreises und stellte einen Ausreiseantrag. Das war für uns als Band natürlich ein politischer faux pas. Man untersagte uns daraufhin (mal wieder) die Gigs im Grenzgebiet. Diesmal war es Jögi, der sich mit den arroganten Idioten des
VPKA anlegte. Er hätte sich dort fast mit einem geprügelt. Schließlich schaffte er es doch, dass wir, unter Auflagen, weiterhin im Grenzgebiet spielen durften. Franki hatte auch wieder einen neuen VOLVO. Wie er das gedreht hat,
weiß ich nicht mehr. Die Westkohle verschaffte Frank natürlich auch den Vorteil, sich mit hochwertigen Westinstrumenten zu versorgen. Im Frühjahr 89 kaufte er von der Band "Karat" für
1000.- DM und 14.000.- DDR-Mark einen nagelneuen Synthesizer. Beim damaligen Wechselkurs von 1:10 waren das insgesamt schlappe 24.000 Osteier! Unvorstellbar für uns. Er machte auch vor zwielichtigen Geschäften nicht halt. Bereits
zuvor machte er mit 2 Schwarzafrikanern, die damals zur Berufsausbildung in Obergebra weilten, einen dubiosen Deal. Er übergab den beiden westkneteschweren Jungs einen Haufen Ostkohle, welche sie dafür verwenden sollten, ihm ein
neues Keyboard zu besorgen. Das machten sie allerdings nicht, sondern unterschlugen das Geld, worauf Franki und Jögi nach Berlin zur afrikanischen Botschaft fuhren und mit irgendso einem Stammeshäuptling recht exotische
Verhandlungen führten, um das geregelt zu kriegen. Ich weiß leider nicht mehr, wie die Sache ausgegangen ist und ob Franki sein Geld je wiedergesehen hat. |
Winter in Ecklingerode Wenn man von
unseren Erfolgen liest, entsteht vielleicht der Eindruck, dass wir mit zur DDR-Elite gehörten und uns die besten und angenehmsten Gigs rauspicken konnten. Dem war aber nicht so. Unsere Erfolge waren regional auf den nordthüringer
Raum und Sachsen-Anhalt beschränkt. Wir waren eine Amateurband - nicht mehr und nicht weniger. Von der spielerischen Leistung hätte es sicher nicht zur Profiband gereicht. Wir coverten und hatten keine eigenen Songs. Schon deshalb
hätten wir keine Chancen gehabt, groß rauszukommen. Darauf haben wir allerdings auch nicht hingearbeitet. Für uns war es so okay, wie es war. Wir hatten unseren Spaß und unseren Erfolg im Kleinen und waren damit sehr zufrieden. Dadurch mußten wir allerdings auch manchmal Bedingungen in Kauf nehmen, wo andere gnadenlos "nein" gesagt hätten. Wir spielten einmal in Leinefelde im "Eichsfelder Hof". Die
Bühne sah ja sehr interessant aus. Sie bestand aus lauter 6-eckigen Feldern, die man variabel gestalten konnte. Ein Blick darunter ließ uns die Lust am Spielen jedoch schnell vergehen. Da türmte sich ca. 10 cm hoch der Dreck und
die Bockwurstreste der vergangenen Jahre. Im Grenzgebiet spielten wir desöfteren und sehr gern. Das war früher schon so. Wir kannten die ganzen Orte dort im Eichsfeld sehr gut. In Silkerode spielten
wir in einer Art riesigem Kuhstall, der scheinbar auf die Schnelle zur "Halle" umfunktioniert wurde. Dennoch machte es uns Spaß. Solche Sachen waren für uns nicht primär wichtig. In Ecklingerode spielten wir im Winter
88/89. Als wir dort ankamen, teilte man uns mit, dass man Probleme mit der Heizung habe. Diese “Heizung” bestand aus einem Kanonenofen, welcher vom Nebenraum aus bedient wurde. Auf dem Saal waren es gerade mal 13 Grad. Wir froren
uns den Arsch ab. Aber da mußten wir einfach durch. Ich hatte mir eine Pudelmütze übergezogen. Handschuhe tragen ging leider nicht, da damit das Gitarre spielen unmöglich war. Es wurde im Laufe des Abends nicht sehr viel wärmer.
Das war dann auch egal. Die Leute waren gut drauf und so hatten wir ebenfalls unseren Spaß. Ein älterer Typ mit Russentschapka sprang ständig vor der Bühne rum und tanzte mit sich selbst. Er versorgte uns so gut mit Bier, dass
irgendwann mal der gesamte Bühnenrand davon vollstand. Die Leute dort waren immer sehr großzügig und auch hilfsbereit. |
Meikel und die Lichttraverse
Eine recht lustige Geschichte. Ralf und ich bauten ständig an unserer Lichtanlage rum. Da wurde laufend was verbessert oder abgeändert. Irgendwann fand Ralf, dass wir eine große Traverse bräuchten, die vor uns am Bühnenrand stehen
und uns von vorn beleuchten solle. Man war ausnahmslos auf Eigenbau angewiesen, da es solche Sachen nicht zu kaufen gab im Staate DDR. Ralf entwickelte auch gleich eine erstaunliche Initiative.
Wir hatten uns die Arbeit geteilt. Er wollte die Scheinwerfer bauen, ich sollte mich um die Traverse kümmern. Ralf ließ sich in seiner Firma also 16 Bleche zurechtschneiden, zu Rohren biegen und die Nahtstellen verschweißen. Sein
Vorbild war der, heute noch meistbenutzte, Scheinwerfer PAR 64. Das Original besteht aus Alublech und ist federleicht. Ralf's Kopien bestanden aus Eisenblech und waren sackschwer. Beim Original werden Alufolienrahmen mit
hitzefester Farbfolie vor den Scheinwerfern eingeschoben. Hitzefeste Farbfolie gab es in der DDR nicht. Wir verwendeten daher dickes, schweres Farbglas. Selbst das war nur mit Mühen zu beschaffen. Da kam bei insgesamt 16
Scheinwerfern ein ordentliches Gewicht zusammen. Darum machten wir uns allerdings keine Gedanken. Ich besorgte Stahlpanzerrohr (dies ist extrem leicht) und machte mich mit unserem Roadie Kalle
daran, es zuzusägen. Geplant war eine 6 m lange 4-Punkt-Traverse, bestehend aus 4 Stücken á 1,5 m, in der die Scheinwerfer drinhängen sollten, so dass man sie zum Gig lediglich ausrichten mußte. Andreas Fuhrmann schweißte uns das
Ganze zusammen. Es sah mächtig imposant aus. Die Scheinwerfer waren mittlerweile auch fertiggestellt und so bauten wir sie ein und verkabelten sie. Am linken und rechten Ende der Traverse hatte ich 2 kurze senkrecht angebrachte
Rohrstücke vorgesehen. Darin sollten die Stativrohre laufen, so dass die ganze Konstruktion von 2 Personen über die Rohre hochgeschoben werden konnte. Es war ein Samstag und ein Gig in Teistungen
stand an. Hier sollte das Licht zum ersten Mal zum Einsatz kommen. Die Band holte mich zu Hause ab, um das Licht auf den TV zu laden. Als Jögi das “Meisterstück” sah, bekam er einen Lachanfall und meinte, dass wir das schwere Teil
keinen Millimeter nach oben bewegen würden. Ich war tief beleidigt! Meine Superkonstruktion! Wir fuhren nach Teistungen und bauten auf. Jetzt kam die Stunde der Wahrheit. Ich glaube, auf jeder Seite
drückten 4 Leute. Es war nichts zu machen. Das Ding ließ sich absolut nicht hochschieben, da sich die Stativrohre in den Führungsrohren verkanteten. Nach den ersten Versuchen brach ein Getobe und Gelächter aus. Ich mußte auch
mitlachen. Na, was soll's. Wir überlegten, was wir machen können. Schließlich kam einem die Idee, dass ganze auf die PA (Boxentürme links und rechts) zu legen. Wir schoben also die Boxen soweit zusammen, bis die Traverse
draufpaßte. So ging es schließlich recht gut und wir haben das zukünftig immer so gehandhabt, obwohl es ein Krampf war und 4 Leute brauchte, die schwere Traverse hochzuwuchten. Zumindest sah es sehr beeindruckend aus. Und Licht von
vorn hatten auch nur die wenigsten Bands. |
YOGA live im Bleicheröder Klubhaus am 4.12.88. Oben ist schemenhaft die gewaltige Lichttraverse zu sehen |
Im Hintergrund Mario am, von Jögi selbstgebauten, elektronischen Schlagzeug |
Kalle's Mode Wir hatten mittlerweile 2
Roadies, Andreas (Kalle) Kallmeyer und Stefan Wilke. Das war auch notwendig, da wir sonst mit dem Aufbau überfordert gewesen wären. Wir spielten einmal in Breitungen im Bezirk Suhl. Der Weg war
recht weit, so dass geplant war, dort zu übernachten. Nach dem (erfolgreichen) Gig ging es in den örtlichen Jugendclub. Dort empfing uns ein Koch, der extra für uns einen herrlichen Braten zubereitet hatte, den wir gemeinsam mit
den Leuten vom Jugendclub dann aßen. Es wurde eine lustige, feucht-fröhliche Party. Schließlich war es Zeit, ins "Bett" zu gehen. D.h., wir pennten auf Luftmatratzen in Schlafsäcken. Nun ist es bei solchen Gelegenheiten
eigentlich die Regel, dass man seine Klamotten auszieht und in Unterhose und T-Shirt schläft. Die Regel galt jedoch nicht für unseren Kalle. Er liebte es wohl häuslich, denn er kam nach seiner Nachttoilette aus dem Bad raus - im
Schlafanzug. Wir haben uns nicht mehr eingekriegt vor Lachen! Es fehlte eigentlich nur noch die Bommelmütze, die Filzlatschen und die Kerze. Kalle sah wirklich zu ulkig aus in dem Aufzug. Das paßte irgendwie überhaupt nicht zu uns
Musikern. Es war damals einfach uncool. Das war Kalle jedoch scheißegal. Hauptsache gemütlich. An die Geschichte denken wir heute noch gern zurück. ...und Meikel's (Un)witz Auch an meinen (Un)Witz, den ich eine ewig lange Zeit zum Besten
gab und der wohl zu YOGA gehörte wie der Deckel auf den Topf. Hier ist das Meisterwerk der Erzählkunst: Vater und Sohn sächsischer Herkunft stehen auf einer Brücke. Unten auf dem Wasser fahren Schleppkähne vorbei. Der Sohn zu
seinem Vater: "Du Babba guck moal, doa sinn Kahns". "Das sinn Keene", erwidert der Vater. Darauf der Sohn: "nu, ich wärd doch wouhl noch Kahns kännen." Wer's
verstanden hat, darf gern darüber lachen. Vermutlich Niemand. So wie meine Bandkollegen damals. Niemand lachte über den Witz. Alle lachten nur darüber, dass ich ihn so gut fand und bei jeder Gelegenheit zum Besten gab. Das uferte
bei mir allerdings aus. Ich weiß nicht, wie oft ich ihn erzählt habe. Es stöhnte nur noch jeder. Berndchen wurde immer gnatziger, je öfter ich ihn erzählte. Kann das Jemand verstehen? Endlich - die Sonderstufe Ziel jeder Amateurband war die Einstufung zur
Sonderstufe. Damit war man gewissermaßen privilegiert bei den Veranstaltern. Ich habe es schon ausführlich beschrieben. Wir arbeiteten auch daran, die Sonderstufe zu erreichen. Hier waren jedoch
die Prüfungskriterien schon weitaus strenger. Die Einstufungskommission bestand nicht mehr hauptsächlich aus Politaffen, sondern aus Musikdozenten der Musikhochschule Weimar. Eben eine wirklich fachkundige Jury. Desweiteren wurde
bei der Sonderstufe auch die 60/40-Regelung viel schärfer überwacht. Diese besagte, dass man im Repertoire 60% Songs aus sozialistischen Ländern bzw. Eigenkompositionen und 40% aus kapitalistischen Ländern haben mußte. Ein Blödsinn
ohne jeglichen Bezug zur Realität. Eine Band, die 60% Ostsongs gespielt hätte, hätte nicht einen einzigen Gig bekommen. Das wollte doch keiner hören! Ich kannte keine Amateurband, die auch nur 5 Ostsongs im Repertoire hatte.
Wir spielten keinen Einzigen. Es blieb uns nichts weiter übrig, als solche Nummern zu üben. Die Anmeldung und Vorbereitung auf die Sonderstufe hatte beim Rat des Kreises, Abt. Kultur eine hohe
Priorität und wurde von dessen Mitarbeitern auch entsprechend begleitet. Die Organisation dieser Veranstaltung war ungleich höher als Einstufungen auf Kreisebene. Die Einstufung wurde für den Dezember 1988 angesetzt. Es hatten sich
einige Bands aus dem Bezirk Erfurt dazu angemeldet. Als Veranstaltungsort wurde Nordhausen ausgewählt. Die Bands sollten in unterschiedlichen Locations spielen, zu welchen die Einstufungskommission dann jeweils hinfuhr und die
Prüfungen abnahm. Uns war, da wir sehr viel Equipment hatten, gemeinsam mit der Band "Flesh Song" aus Weimar die "Halle der Freundschaft" zugeteilt worden. Es sollte so ablaufen, dass wir ganz normal einen
öffentlichen Jugendtanz spielten und die Kommission dann irgendwann im Laufe des Abends erscheinen und die Prüfung abnehmen sollte. Im Zuge der Vorbereitung auf die Einstufung erbaten wir Hilfe
von der FDJ-Kreisleitung, die wir auch bekamen. Diese drückte für jeden Musiker 1 Woche bezahlte Freistellung vom Arbeitsplatz durch. Das wurde von uns natürlich intensiv genutzt. Ralf und ich probten jeden Tag bei ihm zu Hause.
Wir komponierten auf die Schnelle 2 Songs. Desweiteren suchten wir uns Osttitel aus, die wir dann gemeinsam übten. Sachen von "NO 55", "Pankow" und "Rockhaus". Unsere
ganzen Fans wußten über den wichtigenTermin Bescheid und versprachen, dort zu sein und uns tatkräftig zu unterstützen. So kam es auch. Wir bauten auf und der Abend begann ganz normal. Die
Kommission hatte sich für ca. 22 Uhr angemeldet. Bis dahin sollten wir unser reguläres Programm spielen. Unsere Fans waren absolut fit drauf und wir ernteten schon im Vorfeld viel Zuspruch. Nach 22 Uhr stieg dann bei allen so
langsam die Nervosität. Silke hatte Baldriantropfen zur Beruhigung dabei, die sie und ich nahmen. Ich glaube, so gegen 23 Uhr erschien dann die Kommission. Es waren etliche Leute. Soweit ich mich erinnere, müssen es 5-6 Mann
gewesen sein. Wir hatten das Publikum schon zu Anfang darauf vorbereitet, dass es von uns an dem Abend aufgrund der Einstufung auch Osttitel zu hören bekommen würde und doch bitte so fair sein möge, bei diesen Nummern nicht zu
pfeifen. Ja, wir hatten unser Publikum wie immer gut im Griff. Wir fingen also an, das vorbereitete Programm zu spielen und es klappte vorzüglich. Die Leute machten super mit, ganz besonders natürlich unsere Fans, die bei jeder
Nummer grölten und klatschten. Nach ca. 30 min. war es überstanden. Die Kommission zog sich zur Beratung zurück und kurz darauf wurden wir hineingerufen. Was wir dann hörten, war nur noch Musik in unseren Ohren. Man war total
begeistert von uns. Künstlerisch-musikalisch als auch showmäßig eine gelungene Darbietung. Das sagten uns also Leute von der Musikhochschule. Wir hatten unsere Sonderstufe bestanden! Die Freude darüber kann ich nicht in Worte
fassen! Als wir aus dem Raum wieder in die Halle reinkamen, wollte natürlich jeder gleich wissen, wie es gelaufen ist. Die Gratulanten standen im Anschluß Schlange. Ich konnte die Tränen nicht mehr unterdrücken. Wir heulten
wirklich vor Freude. Es war der Moment, auf den wir jahrelang gehofft und hingearbeitet hatten; der Traum jedes DDR-Musikers. Jögi unterdrückte seine Emotionen und hatte sich unter Kontrolle. Später habe ich aber irgendwoher
erfahren, dass er sich auch wahnsinnig darüber gefreut hat und die Sonderstufe seit Jahren sein großes Ziel als Musiker war. Wir waren die einzige Rockband im Kreis Nordhausen, die die Sonderstufe
hatte. Das war was! Wir konnten damit auch mehr Gage verlangen. Darum ging es uns jedoch nicht. Das war ein angenehmer Nebeneffekt - mehr nicht. Wir spielten nicht der Kohle wegen. Die Sonderstufe wies uns nun als Top-Band bei den
Veranstaltern aus und öffnete so manches Türchen in bessere Häuser. Ich weiß nicht mehr, wann und wie wir die Sonderstufe gefeiert haben. Vermutlich war es aber eine geile Bandfete, denn wir
feierten gern und oft und das war schließlich bis dato der größte Erfolg, den wir erreicht haben. Unser großes Comeback in Bleicherode Seit der Neugründung hatten wir uns, von dem Schülerkonzert in der Turnhalle abgesehen, in
Bleicherode recht rar gemacht. Es ergab sich irgendwie nicht die Möglichkeit eines Gigs. Außerdem waren damals die ganzen Jugendtanzveranstaltungen im Klubhaus nur sehr mittelmäßig besucht. Der Veranstalter mußte Glück haben, wenn
150 Besucher kamen. Zeitweilig dachte die Kulturhausleitung schon daran, die Veranstaltungen ganz einzustellen. Das hätten wir sehr bedauert, denn wir ließen uns kaum einen Jugendtanz entgehen. Es paßte auch zeitlich sehr gut, da
das Klubhaus den Tanz jeweils sonntags von 17 - 22 Uhr veranstaltete. Wir selbst spielten nur sehr selten sonntags. Uns interessierte, was andere Bands machten und meistens kam man dann mit den Musikern ins fachliche Gespräch. Lange vor unserer Sonderstufe hatten wir einen Vertrag mit dem Kulturhaus für den 4.12.88 gemacht - noch zu alten Oberstufenkonditionen. Das Klubhaus unterstützte uns übrigens immer noch auf die
eine oder andere Weise. So half man uns z.B. mit Drucksachen für Werbung aus, welche dann in der Druckerei des Kaliwerkes angefertigt wurden. Kostenlos natürlich. Der Termin des Gigs rückte also
heran. Wir waren sehr gespannt, wieviele Leute denn kommen würden. Ob der Saal auch voll werden würde. Die Vergangenheit zeigte ja, wie erwähnt, in den vergangenen Monaten das Gegenteil. Der
Einlaßzeitpunkt war da und es sammelten sich immer mehr Leute an. So viel wie schon lange nicht mehr. Als wir 17 Uhr mit Spielen anfingen, war der Saal bereits voll. Mit Bestuhlung passten knapp 350 Leute ins Klubhaus. Die Stimmung
war dementsprechend megaheiß, die Tanzfläche brechend voll. Alle waren supergut drauf und uns machte es riesigen Spaß. Es ging voll die Party ab. So ungefähr nach dem 2. Set erfuhren wir, dass man Schilder mit dem Vermerk
"ausverkauft" an den Türen anbringen mußte. Das hatte es dort zum Jugendtanz seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. Entsprechend aus dem Häuschen war dann auch die Klubhausleitung. Als ich die Gage abholte, bot man uns
gleich an, im kommenden Jahr 4 - 5 mal spielen zu können. Ich lehnte ab, da ich das für keine gute Idee hielt. Es würde sich wieder totlaufen und so ein Erfolg wäre sicher auch nur sehr schwer zu toppen gewesen.
Dieser Gig sollte übrigens mein letzter im alten Jahrtausend im Bleicheröder Kulturhaus sein. |
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Berlin und der tragische Bruch Das neue
Jahr 1989 lief genauso erfolgreich weiter, wie das alte Jahr aufgehört hatte und nichts deutete darauf hin, dass einschneidende Ereignisse eintreten sollten. Die FDJ-Kreisleitung Nordhausen rief
uns irgendwann an und fragte, ob wir Lust hätten, am Pfingsttreffen in Berlin als Band teilzunehmen und ein Konzert zu geben. Natürlich hatten wir Lust! Berlin, das war was Großes! Es konnte nicht jede Band aus der Provinz von sich
behaupten, dort schon gespielt zu haben. Wir fuhren also am Freitag vor Pfingsten früh nach Berlin und kamen gegen Mittag dort an. Zuerst checkten wir in der Schule ein, wo wir untergebracht waren. Hier sollte am Samstag Abend dann
auch unser Konzert für die Leute stattfinden, die zum Pfingsttreffen delegiert waren. Die Schule befand sich etwas außerhalb in einem Randbezirk. Das Wetter war prima und wir hatten musikmäßig nichts zu tun. Also suchten wir uns
die nächste Kneipe. Die fanden wir auch ganz in der Nähe in Form ein kleinen, gemütlichen Gartenlokals. Wir hatten unseren Spaß mit "Berliner Weiße" mit Schuß und es wurde viel rumgealbert. Am nächsten Tag checkten Berndchen und Jögi die Stromversorgung an der Schule. Wir benötigten dringend Kraftstrom für unsere Anlage. Es war jedoch kein Anschluß vorhanden. Und hier nahm das Unheil seinen Anfang. Ich
verstand wohl irgendetwas falsch. Jedenfalls war ich der Meinung, gehört zu haben, dass wir wegen dem fehlenden Kraftstrom am Abend nicht spielen. Das war aber offensichtlich nie so gesagt worden. Vielmehr bastelten Jörg und Bernd
mit Ralf zusammen an einer Lösung. Ich fuhr gemeinsam mit Silke mit der S-Bahn ins Stadtzentrum. Dort war allerhand angesagt. Am Abend sollte ein Konzert der PUHDYS stattfinden. Da wollte ich
unbedingt hin, da ich die noch nie gesehen hatte. Es war großartig! Wir waren sehr begeistert. Im Anschluß schlenderten wir in aller Gemütlichkeit zur S-Bahn, um wieder in unseren Stadtteil zurück zu fahren. Als wir ankamen, hörten
wir schon vom weiten Musik dröhnen. Das konnte nur aus unserer Anlage kommen! Oh Scheiße! Spielen wir etwa doch? Nicht auszudenken. Heute im Handyzeitalter wäre das Ganze kein Thema gewesen. Das gab's jedoch damals noch nicht. Es
war mittlerweile nach 22 Uhr. Wenn, dann hätten wir sicher gegen 20 Uhr anfangen sollen. Als wir das Schulgelände betraten, kam uns schon die FDJ-Obertante entgegen und blaffte uns an, was uns einfallen würde! Es warteten 150 Leute
nur auf uns! Wir waren wie vor den Kopf gestoßen. So ein Mist aber auch! Schließlich kamen wir bei unseren Leuten an. Jögi war außer sich vor Wut und tobte rum. Und wir? Wir fühlten uns auch noch im Recht. Ich wurde nun auch sauer.
Da platzte Jögi der Kragen. Er brüllte mich an: wenn ich noch ein Ton sagen würde, haut er mir ein paar auf's Maul! Das war der Punkt, der schließlich auch bei mir das Faß zum Überlaufen brachte. Ich war wutentbrannt und bitter
enttäuscht darüber, dass mir ein Musikerkollege Prügel anbot und sagte ihm, dass das heute Abend mein letzter Gig sei und ich die Band verlasse. Silke hielt zu mir und sagte, dass sie mitgeht, wenn ich gehe. Wir haben gleich im Anschluß an diesen Disput noch 1 Stunde Konzert gegeben. Die Stimmung unter uns Musikern war entsprechend auf dem Tiefpunkt. Danach bauten wir wortlos ab und verstauten die Anlage auf dem LKW. Ich war mit meinem eigenen Auto separat nach Berlin gefahren und so fuhren Silke und ich am nächsten Morgen allein und grußlos von Berlin zurück. Welch' eine Tragik! Ein Traum war urplötzlich und
für alle völlig unerwartet zerplatzt. In der folgenden Woche ging ich kurz bei Jögi vorbei, um anstehende Fragen bezüglich der ausstehende Kohle zu klären, die uns noch zustand. Das Gespräch
verlief sehr kühl. Die Fronten waren verhärtet. Ich sagte, dass wir zur nächsten Probe erscheinen und unser persönliches Equipment abholen. So war es dann auch. Später erzählte mir Ralf, dass alle geglaubt und gehofft hatten, dass
wir uns zu dieser Probe wieder versöhnen und weitermachen würden. Ich war jedoch zu sehr verletzt und ein Sturkopf. Außerdem war ich der Meinung, dass niemand auf unser Weitermachen Wert legte, da auch keiner was sagte. Ich suchte mir ein paar Wochen später wieder eine Band - Tanzmusik, in der ich bis zum November 89 blieb. Silke wurde von YOGA gebeten, noch so lange auszuhelfen, bis ein Ersatz für sie gefunden
war, was sie dann auch tat. Man fragte Udo (Spange) Spangenberg aus Nordhausen, ob er meine Nachfolge antreten wolle. Er übernahm den Job und half der Band somit erstmal aus der Patsche bei den noch anstehenden Verträgen. Ein
halbes Jahr später, kurz nach dem Mauerfall, stieg auch er wieder aus. Die Nachricht von unserem Ausstieg löste bei den Fans großes Bedauern aus. Viele meinten, dass sich die Band bald ganz auflösen
werden, da YOGA Meikel und ohne Meikel YOGA nicht YOGA sei. Sie alle sollten sich (zum Glück) täuschen... |
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