Die große YOGA-Bio

1984 - 1985

Wir knien uns voll in die Proben rein, denn es heißt, bis März 1984 dreißig neue, zum Teil sehr anspruchsvolle Titel einzuüben. Am 18.März soll eine große Generalprobe im Klubhaus Bleicherode stattfinden. Der Umsetzung des neuen Konzeptes kommt zugute, dass unser nächster Gig erst wieder am 31.3.84 in Elbingerode stattfindet. Zwischendurch im März wird dann noch Ralf's Einstufung sein. Diese müssen wir aus eigener Tasche bezahlen. Es gab im Kreis die Möglichkeit, sich privat einstufen zu lassen, d.h. ohne andere Bands. Der "Spaß" kostete 300 Mark. Wir hatten keine andere Wahl, wollten wir Ende März zu viert spielen.

Im Januar waren Roman und ich zu einer Besprechung mit Peter Weinert und Wolf Mohs im Klubhaus. Uns wurde zugesichert, dass man uns bei der Zulassung des LKW's unterstützt. Und, als sichtbares Zeichen meines Briefes an den Rat des Kreises: wir bekommen musikalische Unterstützung. Bis zur Oberstufenreife von Wolf Mohs, dem musikalischen Leiter des Klubhauses (ein außergewöhnlich guter Musiker - ich habe ihn immer bewundert). Ab der Oberstufe soll uns dann ein Fachberater der Musikhochschule Weimar unter die Arme greifen.

Ende Januar drängt sich uns wieder die Tanzmusik auf. In Form eines Jahresvertrages mit der Gaststätte "Japan" Bleicherode. Die suchen eine Hauskapelle und man hat uns angesprochen. Das hieße: gesicherte Gig's für's ganze Jahr, Proberaum, beheizter Raum zur Unterbringung des Equipments und 500 Mark Stütze zusätzlich zum Jahresende. Das hört sich alles sehr verlockend an. Letztlich scheitert das Ganze dann doch, da es für uns eine zu große Belastung geworden wäre. Das hätten wir nicht alles unter einen Hut bekommen. Unser größtes Ziel 1984 war primär erstmal die Oberstufe.

Im Februar sind Roman und ich dann wieder mal einen Samstag in Sachen Gigs unterwegs. Mit riesigem Erfolg. Wir bringen von der Tour 8 feste und 2 fest zugesagte Verträge mit.

Zwischenzeitlich bekommen wir auch den Termin für die Privateinstufung - der 21.3.84, ein Mittwoch. Wir müssen die Prüfer selbst von Nordhausen abholen und auch wieder nach Hause bringen. Anders geht es jedoch nicht.

Unser großer Sound- und Anlagencheck am 18.3.84 verlief sehr gut. Wir hatten extra Jögi dazugeholt, was sich als sehr nützlich erwies, da die halbe Anlage nicht in Ordnung war. Am 21.3. zur Einstufung war Jögi dann auch dabei. Es paßte alles! Der Sound hat gestanden und wir waren gut drauf. Die ganze Sache lief sehr individuell und auf Ralf bezogen ab. Er hat seine Spielerlaubnis ohne Probleme bekommen. Wir bekamen zum Schluß noch den Rat, uns für die Einstufung zur Oberstufe im November anzumelden.

In der Folgezeit sind wir Stammgäste bei Jögi. Wir kaufen von ihm größere Endstufen und diverse andere Elektronik.

31.3.84  Der erste Gig nach langer Zeit. Der erste Gig mit Ralf und gleichzeitig Ralf's erster großer Gig mit Band. Um auf der sicheren Seite zu sein, fahren wir bereits um 11 Uhr los. Die Veranstaltung soll sowieso bereits 17 Uhr beginnen. Kerstin, Ralf, Pete und ich fahren im Trabbi vornweg. Fischi und Roman im TV hinterher. Am Ortsausgang von Ilfeld haben wir nochmal auf die zwei gewartet. Dann ging's durch den Harz. Gegen 12:30 kamen wir in Elbingerode an. Wir suchten die Location und nachdem wir sie gefunden hatten, fuhr ich zurück zum Ortseingang, um auf den LKW zu warten und ihn zu lotsen. Gegen 13 Uhr wurde ich unruhig. Nichts! Kein TV! Also zurück zur Gaststätte, wo wir spielen sollten. Vielleicht waren sie ja eine andere Route gefahren und längst angekommen. Dem war jedoch nicht so. Wir machten uns Gedanken. Hoffentlich ist kein Unfall passiert. Gegen 14:30 faßte ich den Entschluß, zurück zu fahren und sie zu suchen. Ich bin gerast wie verrückt, die Angst im Nacken. Da! Plötzlich kommt mir Roman auf der Straße entgegen. Ich fragte gleich, was los sei. Sie hatten einen Platten und natürlich keinen Wagenheber dabei. 500 m hinter der Stelle in Ilfeld, wo wir uns zuletzt gesehen hatten, stand der LKW. Ich fuhr in die nächste Gaststätte, um anzurufen und Bescheid zu sagen. Große Erleichterung bei allen.

Dann holte ich meinen Wagenheber aus dem Trabbi. Der schaffte den LKW natürlich nicht. Was tun? Es gab nur eins: 1 Tonne Anlage mußte runter! Wir haben gekotzt, aber es blieb keine andere Wahl. Dann klappte es schließlich mit dem Wagenheber. Rad gewechselt, die ganze Anlage wieder aufgeladen und ab nach Elbingerode. Mittlerweile drängte die Zeit. Wenn es was gibt, was "tödlich" für uns ist, dann ist das Zeitdruck. Dadurch stand unser Sound überhaupt nicht. Es klang nicht gut! In der Hektik mußte ich mich schnell umziehen und vergaß, meinen Hosenstall zuzumachen. Da stand ich nun auf der Bühne vor vollem Saal und hatte die Lacher auf meiner Seite...

Das Publikum mochte anfangs unsere Musik nicht so richtig. Die waren auf Discomusik eingeschworen. Gegen Ende haben wir sie dennoch "hoch gekriegt". Ralf schlug sich sehr tapfer bei seinem ersten Gig.

14 Tage später in Oberspier bereits der nächste Gig. Hier hatten wir schon mehrmals gespielt und kamen immer sehr gut an. Die Begrüßung ist herzlich wie immer. Schorsch, der Jugendclubchef empfängt uns schon am Eingang. Wir sind alle sehr gelöst und total locker drauf. Der Kontakt zum Publikum ist von Anfang an sehr gut. Wir lassen die Sau raus. Roman und ich gehen auf Tische, die vor der Bühne stehen. Der ganze Saal tobt. Dann passiert Ralf vor Aufregung ein Fehler. Er hat einen blackout. Ihm fällt das Intro von "zehnter Juni" von BAP absolut nicht mehr ein. Er probiert ein paar Mal - nichts. Ihm stehen fast die Tränen in den Augen und ich dachte, jetzt geht er von der Bühne und spielt nicht mehr weiter. Aber schließlich findet er die Töne dann doch noch und alles wird gut. Große Erleichterung bei uns allen. Am Schluß können wir sagen, dass das unser bester Gig seit Bestehen der Band war. Genau das hat uns gefehlt! Jetzt wissen wir, dass wir es können.

Zum nächsten Gig am 21.4.84 geht es wieder in den Harz. Nach Dankerode. Auch hier reines Discopublikum. Dennoch schaffen wir es, die 400 Leute so anzuheizen, dass sie uns garnicht mehr gehen lassen wollen. Wir müssen mehrere Zugaben spielen.

Es läuft auf Hochtouren bei YOGA! Die harte Probearbeit der vergangenen Monate sowie das neue Programm als auch Ralf's Einstieg zeigen sichtbare Erfolge. Wir sind alle gespannt, wie es am 26.4. im Klubhaus in Bleicherode laufen wird. Der letzte Gig dort ging voll in die Hose.

Nun, der Tag ist gekommen. Anfangs ist der Saal noch nicht sehr voll. Kein Wunder nach unserem letzten Auftritt dort. Doch was wir dann zeigen, versetzt das Publikum in Staunen. Wow, was ist denn das? Der Sound ist viel besser geworden und die Titel sind auch ganz andere! Wir gehen es recht relaxt an. Bei meiner Sologesangsrunde (Ärzte, Judas Priest) mache ich das Publikum total an, welches sich mittlerweile schon zahlreich am Bühnenrand versammelt hat und jetzt total ausflippt. Das Ende: Zugabe, Zugabe, Zugabe!  Ein geiles feeling! Das war unser mehr als gelungenes Comeback in Bleicherode. Dennoch wollen wir bei unserem Entschluß bleiben, nur noch 1x im Jahr in Bleicherode aufzutreten.

An diesem Abend müssen wir die Anlage nicht mehr vom LKW räumen, da es am nächsten Tag gleich weitergeht mit Spielen. Es steht ein Open-Air im Nordhäuser Gehege an. Wir haben Bedenken, ob  unsere Anlage das schafft. Die Bedenken waren unnötig, wie sich zeigte. Wir kommen besser durch als wir dachten. Um 17 Uhr sollen wir beginnen. Mittlerweile sind auch 2 Discotheker eingetroffen, die in den beiden Kneipen im Gehege aufbauen. Also werden wir kein Publikum haben, zumal das Wetter auch nicht das Wärmste ist. Wir fangen trotzdem an. Ein paar Neugierige haben sich versammelt und harren der Dinge, die da kommen sollen. Wir spielen so ca. 2 - 3 Sets. Immer, wenn wir Pause machen, haut uns das Publikum wieder ab. Kein Wunder, da es noch nicht mal was zu trinken gibt draußen. Der Veranstalter schlägt dann vor, dass wir aufgrund dieser Fehlorganisation aufhören sollen, dennoch aber die volle Gage bekommen. Wir beratschlagen kurz. Da wir Bock auf Spielen haben, ändern wir unsere Strategie. Wir geben ein einstündiges Konzert in der Hoffnung, dass sich einige Leute ansammeln und vor allem auch dableiben. Unsere Rechnung geht auf: es wird immer voller. Eine Liveband ist eben doch was anderes als eine Disco. Das Publikum ist voll drauf. Als wir mit dem Programm durch waren, mußten wir 4 Zugaben spielen. Alles tobt...   Gegen 21 Uhr sind wir wieder zu Hause. Wir entschließen uns spontan zu einem Umtrunk im "Japan". Alle sind ganz aus dem Häuschen wegen des großen Erfolges. Außerdem war das unser allererstes Konzert, was wir gespielt haben.

So geht es den ganzen Sommer weiter. In Ballenstedt wurden wir das erste Mal von Autogrammjägern umringt. Eine völlig neue Erfahrung für uns.

Allerdings gab's auch vereinzelt Gig's, die in die Hose gingen. Am 17.6.84 spielten wir in Ebeleben in so einer Art überdachtem Festplatz. Die Theke stand so ungünstig -weit hinter uns-, dass uns das Publikum beim Spielen garnicht sehen konnte. Wir spielten also gegen leere Bänke. Da tanzte natürlich Niemand.

Der 24.6.84 dann war für uns von wichtiger Bedeutung. Wir hatten von LIVE einen Gig abgetreten bekommen und sollten in Bischofferode spielen. Das war für uns deshalb sehr wichtig, da jede Band Einiges drum gab, dort spielen zu können. Ein super Haus mit hervorragenden Spielbedingungen. Nur kam man dort als Band äußerst schwierig rein. Der Klubhausleiter Gerhard Schmelzer war in seiner Bandauswahl äußerst wählerisch und wäre niemals auf die Idee gekommen, eine Mittelstufenband zu engagieren. Ab Oberstufe aufwärts. War man da mal drin, hatte man seine regelmäßigen Gigs im Jahr. Und die waren immer gut besucht. Also insgesamt sehr lukrativ. Wir sind als Vertretung von LIVE eben durch großen Zufall da reingekommen und nun hieß es, das Beste draus zu machen. Die Sache hatte jedoch noch ein Handicap. Wir sollten nicht allein auftreten. Im Klubhaus selbst spielte Kerth aus Erfurt; wir sollten gemeinsam mit "Vocal" aus Erfurt in der benachbarten Turnhalle spielen. Also mit Semiprofis zusammen. Als wir dort ankamen und aufbauten, erfuhren wir, dass wir nicht mit "Vocal", sondern mit "Rockphonie" aus Leipzig auftreten sollten. Die waren uns vom Hörensagen als absolute Profis bekannt. So kam es dann auch. Sie rückten mit einem großen W-50 Koffer, der mit Equipment bis unter's Dach voll war, an. Dann der nächste Hammer: die ganze Anlage stand in 1 Stunde incl. Soundcheck. Wir waren sprachlos. Eben absolut professionell.

Wir begannen, das erste Set zu spielen. Was "Rockphonie" dann zeigte, ließ uns die Luft wegbleiben. Die spielten Nummern von "Saga" und "Queen", und das auch noch unwahrscheinlich sauber und gut. Wir kamen uns mächtig klein vor und waren ziemlich deprimiert. Das Publikum zeigte sich jedoch mehr als fair. Es tanzte bei unseren Songs nicht weniger als bei “Rockphonie”, was uns etwas versöhnlicher stimmte. Zwischendurch erschien dann mal der Soundmixer von "Kerth", stellte sich den Leuten von "Rockphonie" vor und würdigte uns in einer absolut arroganten Art keines Blickes, obwohl wir unmittelbar daneben standen. Wir waren für ihn wohl die kleine beschissene Dorfcombo...   Die Überraschung kam dann für uns zum Schluß doch noch. Herr Schmelzer hat eine Tochter, die an dem Abend auch anwesend war und bei der müssen wir wohl einen mächtig sympathischen Eindruck hinterlassen haben. Jedenfalls eröffnete uns Herr Schmelzer, dass seine Tochter und er von uns total begeistert waren und wir von jetzt an bei ihm im Geschäft drin seien. Wow! Damit hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet und wir haben uns riesig darüber gefreut. Dennoch sind wir mit sehr gemischten Gefühlen nach Hause gefahren.

Hier enden meine Tagebuchaufzeichnungen und ich bin auf gemeinsame Erinnerungen angewiesen. Daher kann ich ab jetzt keine präzisen Zeitbestimmungen mehr wie bisher machen.

An dieser Stelle vielleicht daher eine Sache, die im Tagebuch nicht aufgetaucht ist, die sich mir aber besonders eingeprägt hat: unsere Auftritte im ehemaligen Grenzgebiet. Ich denke, dass ich damals Angst hatte, das Thema in irgendeiner Form festzuhalten. Es war wohl irgendwie tabu. Für alle Nichtwissenden: an der Grenze zur alten Bundesrepublik gab es eine Sperrzone, die man ohne Passierschein nicht betreten durfte: das Grenzgebiet. Das betraf Orte, die ab 5 km Nähe zur Grenze lagen. Dann gab es da noch eine verschärftere Version: die 500 m-Zone. Ist selbsterklärend. Wollte man dort als Band spielen, mußte man jedesmal einen unsäglichen Behördenmarathon absolvieren. Das fing damit an, dass man zum VPKA (Volkspolizeikreisamt) fuhr und sich entsprechende Formulare beschaffte. Die bekam man jedoch nur, wenn man einen gültigen Spielvertrag vorlegen konnte. Die Formulare mußten in 4-facher Ausfertigung ausgefüllt werden. Damit nicht genug. Zusätzlich wurden sämtliche Daten (Geburtstag, -ort, wohnort und Einiges mehr) aller Einreisewilligen als Anlage ebenfalls 4-fach verlangt. Dann fuhr man das zweite Mal hin und gab die Unterlagen beim VPKA ab. Nun konnte man nur noch hoffen, dass die Einreise genehmigt wird. Das VPKA hatte nur dienstags und freitags geöffnet! So wußte man manchmal  erst am Freitag, ob man am nächsten Tag spielen DURFTE! Man rief dort an, und wenn die Einreise genehmigt war, fuhr man ein drittes Mal hin, um den Passierschein in Empfang zu nehmen. Damit der Schikanen nicht genug. Dieser Papierwust mußte jedesmal ausgefüllt werden, wenn man im Grenzgebiet spielen wollte. Hatte man also an zwei aufeinanderfolgenden Wochenenden jeweils dort einen Gig, mußten sämtliche Formulare auch 2x eingereicht werden. Unglaublich!

Ich weiß nicht, wie es zustande kam, aber wir spielten sehr oft im Grenzgebiet. Das Publikum dort war auch immer super drauf und die Gigs waren sehr gut besucht. Das erste Mal spielten wir in Ecklingerode, Kreis Worbis. Das muß im Winter 84 gewesen sein. Jedenfalls war alles verschneit. Wir suchten die Kneipe und parkten den LKW genau davor. Dann gingen wir erstmal hinein, um uns den Saal anzuschauen. Nach einer Weile kam dann Jemand zu uns und bat darum, den LKW wegzufahren. Wir hatten mitten auf der Straße 90 Grad quer zur Fahrtrichtung geparkt. Konnte man nicht sehen, da ja alles total zugeschneit war. Das blieb zum Glück ohne Folgen. Man mußte im Grenzgebiet immer damit rechnen, für kleinste Vergehen zur Verantwortung gezogen zu werden. Die Staatsmacht war überall präsent und auch die Dorfbewohner beäugten jeden "Eindringling" mit Mißtrauen.

Eine andere Begebenheit blieb jedoch nicht ohne Folgen, von denen wir allerdings erst Jahre später und rein zufällig erfuhren. Es muß am 23.3.85 gewesen sein. Wir spielten an dem Samstag in Wehnde (Grenzgebiet). An das Datum erinnere ich mich deswegen genau, da es der Vortag von Ralf's Geburtstag war und wir gemeinsam mit dem Wehnder Jugendclub nach dem Gig noch kräftig feiern wollten. Da konnte natürlich auch Niemand mehr fahren und so bot uns der Jugendclub an, dort zu übernachten.

Der Gig verlief gut,  Mitternacht stießen wir auf Ralf an und nach Ende des Gigs ging es dann in den Club, wo wir eine super Party veranstalteten. Man hatte extra noch belegte Brötchen für uns gemacht. Die Gastfreundschaft war überhaupt immer sehr groß. Wir wurden fast immer mit offenen Armen empfangen und man scheute, gerade in den kleineren Dörfern, keine Kosten und Mühen, uns den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

Wir pennten also nach der Party im Jugendclub Wehnde. Am nächsten Morgen wurden wir dann recht unsanft und vor allem recht früh durch Kirchenglocken geweckt. Die Kirche befand sich gleich neben dem Club und da das Eichsfeld eine streng katholische Gegend ist, ging praktisch das ganze Dorf sonntags zum Gottesdienst. Von dem Lärm aufgeschreckt gingen wir nach draußen. Als Twens und rebellische Hardrocker hatten wir natürlich nur Blödsinn in unseren, noch benebelten, Köpfen. Im Schuppen direkt neben dem Club fanden wir ein kleines Schlagzeug. Das bauten wir draußen auf. Ich glaube, eine Wanderklampfe war auch zugegen. Als Drumsticks mußten Holzscheite herhalten, die wir ebenfalls im Schuppen fanden. Und schon konnte die Anti-Kirchen-Protest-Session losgehen. Wir machten ziemlich Radau und die Leute schauten recht konsterniert zu uns rüber. Roman, noch recht voll, kletterte dann einen Zaun hoch und rief immer: “Ich will in den Westen! Ich hau' ab!”  Sowas in der Art.

Für uns war die Sache damit abgeschlossen. Eigentlich war es für uns auch gar keine "Sache", sondern einfach ein cooler Joke. Der Zufall wollte auch, dass wir ab da bis zur ersten großen Bandpause im November 85 nicht mehr im Kreis Worbis spielten.

Passierschein Grenzgebiet

So sah er aus, der “berühmte” Passierschein für’s Grenzgebiet, ohne den dort nichts ging

Spielverbot im Kreis Worbis

3 Jahre später im Sommer 1988  trat wieder der Fall ein, dass uns Martin Meißner einen Gig in Bischofferode für "Rock für den Frieden" abtrat. Ich rief den Veranstalter Gerhard Schmelzer an, um Einzelheiten zu klären. Zu meinem allergrößten Erstaunen teilte er mir mit, dass er uns nicht unter Vertrag nehmen könne, da wir Spielverbot im Kreis Worbis hätten. Boah! Ich war fassungslos, fragte nach den Gründen und sagte ihm, dass ich davon überhaupt nichts wüßte. Wir hatten zu keinem Zeitpunkt eine Mitteilung von staatlicher Seite darüber bekommen. Er wußte nichts Konkretes. Nur soviel, dass wir wohl mal vor ein paar Jahren in einem Jugendclub im Grenzgebiet übernachtet hätten und dies verboten sei, da es sich um ein öffentliches Gebäude handelte.

Was nun? Ich rief beim VPKA Worbis an und bat um einen Termin, der mir auch gleich gewährt wurde. Dort fuhr ich hin und ein Polizeioffizier erklärte mir das Gleiche nochmal. Desweiteren hätten wir an besagtem Tag ruhestörenden Lärm verursacht - bla bla bla...

Nun griff ich ihn an! Ich erklärte ihm, dass wir bei "Rock für den Frieden" umsonst spielen, die Gage spenden wollten und er also dagegen wär, dass wir für den Frieden einträten. Das war zuviel für ihn! Er brüllte mich an, dass ich ihm nicht die Worte im Mund und die Tatsachen verdrehen soll und er überhaupt nicht dagegen sei, dass wir uns auf diese Art politisch engagieren. Ich war mir der Tragweite und der möglichen persönlichen Konsequenzen meiner Worte in keiner Weise bewußt (wohl der Mut der Ahnungslosen), sondern fühlte mich im Hinblick auf weitere Verträge im Kreis Worbis einfach nur in die Enge getrieben. Nach einer Weile beruhigte er sich schließlich wieder und wir überlegten, wie wir einen Weg aus dem Dilemma finden konnten. Er unterbreitete mir Folgendes: Wir dürfen aufgrund des geplanten Solikonzertes ab sofort wieder im Kreis Worbis spielen. Es werde jedoch bei jeder Veranstaltung "Jemand" (er meinte damit Stasispitzel) unter dem Publikum sein, der uns beobachte. Sollten wir uns wieder daneben benehmen, tritt das Spielverbot umgehend wieder in Kraft.

Mit diesem Kompromiß konnten wir leben. Unmittelbar danach schlossen wir auch gleich einen Vertrag für einen Gig in Kirchworbis ab. Wir bemühten uns, unsere Beobachter zu entdecken. Uns fiel jedoch niemand auf. Wir haben nie wieder was in Bezug auf die Geschichte gehört.

Der Ärger als Ersatzband

Ebenfalls im Jahr 84 trug sich eine Geschichte zu, die ich nie wieder in der Form erlebte. Eines Tages rief mich der Leiter des Klubhauses Nordhausen an und fragte, ob wir am kommenden Samstag bei ihm spielen könnten. Eine Band sei ausgefallen. Es muß an einem Mittwoch oder Donnerstag gewesen sein, denn ich erinnere mich, dass es ziemlich knapp von der Zeit her war. Ich checkte den Termin kurz und sagte dann zu, da wir keinen anderen Gig hatten. Die Gage konnten wir lt. Gesetz nicht selbst bestimmen, sondern sie mußte aus den gem. Spielerlaubnis vorgegebenen Sätzen errechnet werden. Dadurch ergaben sich dann immer auch ungerade Summen mit Pfennigbeträgen hinter dem Komma, z.B. 402,56 Mark. Nun war es zu DDR-Zeiten üblich, dass sämtliche Veranstalter bei der Gagenauszahlung mehr oder weniger großzügig Trinkgeld gaben, also entsprechend aufrundeten. Das konnten 2, aber auch mal 10 Mark sein - für uns damals nicht zu verachten.

Ich rief also in Nordhausen im Klubhaus an und gab die Gagenhöhe durch. Man war einverstanden, also alles gebongt.Der Gig lief recht gut, war sehr gut besucht und das Publikum als auch wir waren zufrieden. Wir bauten ab und verstauten das Equipment. Da bat uns der Klubhausleiter in sein Büro zur Auszahlung. Das war an und für sich schon ungewöhnlich, denn in der Regel ging ich allein bzw. mit max. 1 Bandkollegen zum Abholen der Gage. Wir waren alle versammelt, da bat uns der Klubhausleiter, unsere Spielerlaubnisse zu zeigen. Wir waren wie vor den Kopf gestoßen. Natürlich hatte er das Recht dazu. Mir ist es aber bis zu dem Zeitpunkt und auch später nie wieder passiert, dass Jemand den Wisch kontrolliert hat. Das war einfach eine Vertrauenssache, fast so etwas wie ein ungeschriebenes Gesetz, dass das nie kontrolliert wurde. Wir hatten unsere Pappen immer dabei, klar. Konnte ja auch mal passieren, dass eine Polizeikontrolle war. Damit mußte man einfach rechnen. Aber einem Veranstalter auf Verlangen vorzeigen? Na gut...

Der nächste Hammer folgte gleich drauf. Der Typ kannte kein Ende und schien offensichtlich Spaß daran zu haben, uns zu schikanieren. Er fing an, jedem von uns einzeln die Gage auszuzahlen. Und zwar auf den Pfennig genau! Und das dafür, dass wir ihm aus der Patsche geholfen unf eingesprungen waren! Man sah das damals nicht unter geschäftlichen Gesichtspunkten, dass man froh war, einen Auftrag erhalten zu haben. Für uns spielte nie die Kohle die primäre Rolle, sondern immer der Spaß an der Sache selbst. Wir hatten einfach unheimlich fun am Musizieren und schöpften unsere Kraft aus dem Publikumserfolg. Daher sahen wir den Gig in Nordhausen auch in erster Linie als Hilfeleistung an. Den Veranstalter in der Rolle als Verkäufer und wir als König Kunde. Er wollte was von uns und nicht umgekehrt!

Wir sind dann recht sauer abgezogen. Pete war so aufgebracht, dass er das erhaltene Kleingeld der Gage nahm und wütend auf die Bühne schmiß mit der Bemerkung, dass sich der Typ das in den Arsch schieben kann.

Ich äußerte dann laut meine Absicht, nie wieder dort zu spielen, selbst wenn der Veranstalter auf allen Vieren gekrochen käme. Insgeheim wartete ich darauf, dass dies passieren würde. Und ein paar Jahre später passierte es tatsächlich (siehe hier)...

Auch das gab's...

Wir hatten mittlerweile viele Fans - vor allem in Bleicherode. Muhchen und Heike, Schnicker, Jazz, Otto, Bauer und wie sie alle hießen. Eine verschworene, große Clique. Im Sommer hatte einer von ihnen -Gunther- Geburtstag und seine Freundin wollte ihn mit etwas Besonderem überraschen. Wir sollten auf seiner Party im Garten spielen. Gesagt, getan. Für die komplette Anlage war es dort zu klein. Auch ein Schlagzeug hätten wir nicht untergebracht. Ich borgte mir aus der Musikschule einen Drumcomputer, wir probten mit dem Ding kurz und auf ging es zu Gunther in den Garten. Die Überraschung war voll gelungen! Er hat sich riesig gefreut und wir spielten, was das Zeug hielt. Natürlich umsonst. Die Stimmung war total super. So, nach vielleicht 3 Stunden, waren wir dann allerdings nicht mehr richtig fit zum Spielen und verlegten uns mehr auf's Feiern. Trotzdem hat es allen super Spaß gemacht.

Roman, der Zerstreute

War es '84 oder '85? Ich erinnere mich nicht mehr. Es war ein Samstag und wir hatten einen Gig in Heldrungen. Schon ein weites Stück zu fahren, vor allem mit max. 80 km/h außerorts. Mehr war nicht erlaubt zu DDR-Zeiten und auch garnicht drin bei den schlechten Straßen und dem Fahrzeugzustand. Ich hatte mittlerweile einen Trabbi, nachdem ich im Sommer 84 meinen alten verrosteten Moskwitsch gecrasht hatte.

Der TV war geladen und meist fuhr Fischi und ein Bandmitglied voraus, da sie ja doch langsamer waren. Wir holten nachmittags Roman von zu Hause ab und fuhren los. Am Ortseingang von Bad Frankenhausen bin ich in eine Radarfalle gefahren und durfte gleich an Ort und Stelle Kohle abdrücken. Das war damals so. Da gab's nichts mit "Überweisen". Die VoPo's fühlten sich sowieso wie Halbgötter und als Zivilist hatte man richtig Ehrfurcht, manchmal Angst vor den Leuten. Ich mußte mich in deren BARKAS setzen und man zeigte mir das Meßergebnis. Just in diesem Moment fuhr wieder Jemand zu schnell und die Polizei zog ihn raus. Der Typ war wohl ein Kollege in Zivil. Man verständigte sich kurz, er zückte seinen Ausweis und dann durfte er ungestraft weiterfahren. So wurde mit zweierlei Maß gemessen. Man traute sich jedoch nicht, was dagegen zu sagen.

Wir hatten zuvor den TV überholt. Die Polizei wollte meinen Führerschein sehen, dieser lag jedoch im TV. Also wurde der TV dann auch angehalten, damit ich meine Pappe vorzeigen konnte. Diese ganze Verzögerung war überhaupt nicht geplant und es wurde langsam kritisch mit dem Zeitplan. Kurz hinter Bad Frankenhausen schlug sich Roman mit der Hand vor die Stirn und fragte: "wißt Ihr, was ich vergessen habe?" Nein, wußte Niemand. Vielleicht ein Kabel oder so? Kein Thema, das läßt sich sicher auftreiben. Es kam dicker! "Ich habe meinen Bass vergessen", schockierte uns Roman! Tja, ohne brauchen wir garnicht erst anfangen mit Spielen. Wir überlegten, was wir zur Schadensbegrenzung tun sollen und entschieden uns, erst einmal nach Heldrungen zu fahren. Vielleicht gab's dort ja eine Dorfkapelle, die uns einen Bass leihen konnte. Wir fragten gleich rum, als wir an Ort und Stelle waren. Natürlich gab's keine Dorfband und somit auch keinen Bass. Wäre ja auch zu schön gewesen. Mir blieb nichts anderes übrig, als mit Roman nochmal zurück zu fahren. Ich sagte ihm, dass ihn dass eine Kiste Bier kostet. Die anderen bauten inzwischen auf und ich fuhr wie der Henker zurück nach Bleicherode, ständig mit der Angst im Nacken, nochmal in eine Kontrolle zu geraten. Das blieb mir zum Glück erspart. Wir schafften es dann gerade so, einigermaßen pünktlich wieder zurück zu sein. Zum Soundcheck war es allerdings zu spät, denn der Saal war bereits voll.Zu Beginn instruierte uns der Jugendclubchef noch für den Fall, dass eine Schlägerei aufkommt. Wirsollten dann sofort mit Spielen aufhören und erst weitermachen, nachdem sich das wieder beruhigt hat. Eine eigenartige Vorgehensweise - na ja. Schlägereien schienen da an der Tagesordnung zu sein. So kam es auch an dem Abend. Wir hörten einfach auf, als es losging und danach wurde weiter gespielt.

Roman war immer irgendwie ein wenig fahrig. Das äußerte sich mitunter auch  in seiner Ausdrucksweise beim Sprechen. In Könnern (zwischen Halle und Bernburg) verstand man unseren Dialekt sowieso nicht mehr so gut wie in unserer Region. Da es unser erster Auftritt dort war, wollte uns der Jugendclubchef dem Publikum in einem kurzen Interview vorstellen. Wir beschlossen, dass Roman der Auserwählte sei, der etwas über die Band sagen sollte.

Tja, Roman sagte dann auch jede Menge, nachdem er die Fragen gestellt bekam. Nur - es verstand keiner im Saal. Er sprach viel zu schnell und vor allem nuschelte er unwahrscheinlich. Bis es mir reichte und ich ihn darum bat, "die Kartoffeln aus'm Maul zu nehmen". Ich weiß nicht mehr, wie es letztlich ausging. Wir haben uns jedoch darüber fast bepißt vor Lachen und diese Geschichte trug noch lange danach bei diversen Feten zur allgemeinen Erheiterung bei. Roman mußte dann nie mehr Ansagen machen.

Silvester 84 in Menteroda

Als Rockband spielt man ja eigentlich an Silvester weniger. Da sind doch mehr die Tanzbands gefragt. Uns passierte es jedoch ein Mal, dass wir zu diesem Termin spielten. Ein Erlebnis der besonderen Art!

Mich rief irgendwann gegen Ende des Jahres 84 eine Jugendclubchefin aus Menteroda an und fragte, ob wir denn dort spielen könnten. Ich sagte ihr, dass wir eine Rockband sind und vornehmlich Hard Rock spielen - wohl weniger für eine solche Veranstaltung geeignet. Sie zerstreute unsere Zweifel jedoch. Meinte, dass die Karten nur an Jugendliche verkauft werden und denen möchte man eben Rockmusik präsentieren. Für einige wenige ältere Herrschaften könnten wir ja ein paar Oldies zum Besten geben. Ob wir sowas spielen könnten; es stehe auch eine attraktive Gage in Aussicht.

Nun, attraktive Gagen konnten wir immer gebrauchen und Oldies waren für uns "alte Hasen" erst recht keine Hürde. Vielleicht sogar die eine oder andere Tanzmusiknummer mit eingebaut, werden wir das Kind schon schaukeln. Ich sagte nach Absprache mit meinen Kollegen zu!

Wir notierten uns ein paar Oldies, die wir spielen könnten und wohl auch die eine oder andere Schlagernummer. Péte fragte seinen Vater, ob er nicht Lust hätte, uns mit seiner Orgel zu begleiten. Hatte er nicht. Aber: er bot an, uns das Teil auszuleihen. Ich konnte aufgrund meiner Akkordeon-Musikschulausbildung so halbwegs damit umgehen. Dafür würde es jedenfalls reichen.

Über die Weihnachtsfeiertage fingen wir an mit Proben. Kann mich nicht mehr erinnern, was der Grund dafür war, aber wir übten bei Kerstin zu Hause im Keller. Möglich, dass es im Proberaum am Festplatz zu kalt war oder wir ihn mal wieder räumen mußten. Keine Ahnung. Na jedenfalls wurden das Programm für Silvester eifrig geübt. Als Opener hatte ich mir eine besondere Nummer einfallen lassen: instrumental (der "große" Meikel an der Orgel) die Titelmelodie aus der Serie "Dallas". Wow, was für eine Gaudi!

Silvester kam und wir rückten aus nach Menteroda. Unsere Partnerinnen hinten auf der Ladefläche des TV, dick in Decken eingemummt. Dort angekommen, traf uns auch gleich der erste Hammer. Und das richtig fett! Die Jugendclubchefin erschien und teilte uns mit, dass die Hälfte der Karten an älteres Publikum verkauft wurden. Der Kneiper hatte darauf bestanden. Da wurde eben Onkel Otto und Tante Hilde, Opa Paul und Oma Trudchen eingeladen. Na prima!

Ich machte die JC-Tante nochmal darauf aufmerksam, dass wir wohl nicht die passenden Musik für das ältere Semester haben. Sie winkte jedoch ab: Ihr kriegt das schon hin.Wir bauten auf und schon ging, wie in solchen Fällen üblich, das Gemaule im Publikum los. Es ist immer das Gleiche: sehen ältere Leute die vielen großen Boxen, verbinden sie damit automatisch eine hohe Lautstärke der Musik. Nun, wir hatten allerdings auch unser ganzes Equipment aufgefahren, welches zu diesem Zeitpunkt schon beachtliche Ausmaße angenommen hatte. Wir konnten ja nicht ahnen, dass wir es mit Rentnern zu tun bekommen.

Der "Affentanz" konnte beginnen. Ich hatte mich zur Feier des Tages seriös gekleidet. Stoffhose und Rollkragenpullover. Dazu hatte ich zum "Dallas" - Opener einen Cowboyhut auf. Es sah zum Schießen aus. Alle meine Musikerkollegen bogen sich vor Lachen. Das Publikum jedoch nicht. Wir begannen, die erste Runde zu spielen. Fischi regelte die Anlage so leise, wie nur irgendwie möglich. Und prompt baute sich der erste Spinner und Wichtigtuer vor mir auf. Diese Typen trifft man auf jedem Volksfest. Meinen, sie sind die Größten und spielen sich auf wie die Veranstalter persönlich. Als hätten sie was zu sagen. Darauf reagiere ich bis heute sehr allergisch. Nun, der Typ jedenfalls blähte sich auf und laberte mich an, dass wir viel zu laut spielen würden. Ich verwies ihn an unseren Techniker, da das seine Aufgabe sei. Wir hatten genug mit uns und dem für uns ungewohnten Repertoire zu tun und konnten uns nicht auch noch mit solchen Spinnern abgeben. Wir spielten so ca. 3-4 Sets. Damit waren unsere Oldies und Schlager auch schon durch. Was nun? Krampfhaft suchten wir in unserem Rockrepertoire nach Nummern, die vergleichsweise harmlos waren. Wir konnten denen schlecht mit Z.Z.Top kommen. Mittlerweile verschärfte sich der Streit um die Lautstärke und immer mehr Oldtimer versammelten sich direkt vor uns. Da platzte mir der Kragen. Ich erklärte dem Publikum die Sache mit den falsch verkauften Eintrittskarten und dass wir als Rockband gebucht wurden. Ich war echt wütend und kündigte an, dass wir "nun mal zeigen werden, wie laut wir sonst eigentlich spielen". Kurzes Zeichen zu Fischi und der drehte auf! Das war sowieso immer seine Welt. Er mochte es sehr laut. Jetzt eskalierte das Ganze. Die Alten tobten, viele verließen die Veranstaltung. Einige brüllten: "schmeißt die Vögel raus und stellt ein Tonband vorne hin". Wir trauten uns nicht mehr einzeln auf die Toilette, denn man bot uns auch Prügel an.

Nachdem wir etlichen Leuten das Silvesterfest gründlich verdorben hatten, der halbe Saal auf eine andere Feier im Ort verschwunden war und der Alkoholpegel die Gehörgänge langsam benebelte, beruhigten sich die Gemüter wieder. Beide Seiten fanden, dass man das Beste aus der Situation machen müsse. Wir drehten wieder leiser und kurz nach dem Jahreswechsel verkehrte sich die Situation ganz grotesk ins Gegenteil. Jetzt wollten alle immer mehr und der Saal tobte plötzlich vor Begeisterung! Nun kamen auch Z.Z.Top & Co. zum Einsatz. Als wir gegen 1:30 Uhr aufhören wollten, ließ man uns nicht gehen. Wir mußten eine Zugabe nach der anderen spielen. Ich glaube, wir haben so bis ca. 3 Uhr gespielt. So einen Gig habe ich bis heute nie wieder erlebt.

Als der Saal leer war, beschlossen wir, nun auch endlich ein wenig zu feiern. Wir pennten sowieso in einem Zwischenraum zwischen Saal und Kneipe und hatten zu dem Zweck Schlafsäcke und Luftmatratzen mitgebracht. Ich war so dermaßen frustriert über den Gig, dass ich eine "Druckbetankung" machte. Innerhalb kürzester Zeit zog ich mir eine Flasche Rotwein rein - Game over. Dann kam es zwischen Roman und mir fast noch zu einer Prügelei aufgrund einer Meinungsverschiedenheit, die ich in meinem besoffenen Kopf mit seiner Freundin Margot hatte. Schließlich beruhigten sich alle wieder und wir schliefen ein. Jedoch nicht sehr lange.

So gegen 9 Uhr füllte sich die Kneipe bereits zum Frühschoppen und man hatte die glorreiche Idee, uns dazu ein wenig Musik machen zu lassen. Nicht mit Anlage: wir sollten nur so mit Akkustikgitarre und Akkordeon ein paar Stimmungslieder zum Besten geben. Ich war dazu jedoch nicht in der Lage. Mein Schädel brummte vom Rotwein und ich war total müde. Die Leute bettelten und bettelten. Es half nichts. Man schnallte mir im Liegen den Zerrwanst um. Die gaben keine Ruhe, bis ich mich doch aufrappeln mußte. So spielten Roman und ich so ca. 2 Stunden lang für die Kneipengesellschaft Stimmungsmusik. Man ließ einen Hut kreisen und so bekamen wir auch noch ein paar Mark dafür. Da ließen sich die Leute nicht lumpen.

Damit war diese leidliche Geschichte leider aber noch nicht zu Ende. Uns erwartete noch eine weitere böse Überraschung. Als wir am Vortag losfuhren, waren die Straßen trocken. Wie geschockt waren wir jedoch, als wir am Neujahrstag nach draußen kamen. Alles weiß! Und das nicht wenig. Der TV war trotz gutem Reifenprofils überhaupt nicht für solche Schneefahrten geeignet, wie wir in der Vergangenheit bereits feststellen mußten. Er kam dabei sofort ins Rutschen. Somit war die Route mit der kürzesten Verbindung aus dem Rennen. Da hätten wir nämlich in Großlohra den langen steilen Berg hinunter gemußt. Dieses Risiko war untragbar. Also blieb uns nichts weiter, als über Ebeleben zu fahren. Bei den Witterungsverhältnissen, noch niemand so recht nüchtern und bei der Kälte 6 Leute auf der Ladefläche. Es war grauenhaft. Ich glaube, wir haben 4 Stunden gebraucht für die ca. 35 km. Damit immer noch nicht genug. In Bleicherode, Kerstin und ich wohnten im Japanweg, mußte der TV den Hopfenberg hinauf. Sehr kurz, aber auch sehr steil. Bis zur Hälfte kamen wir, dann war Ende Gelände. Mit der teuren Anlage drauf konnten wir den LKW auch nicht einfach an der Straße stehen lassen. Also sind wir immer fleißig zu uns nach Hause gelaufen (ca. 150 m den Berg rauf) und haben Asche aus der Heizungsanlage in Eimern zum TV gebracht, um damit den Weg zu streuen. Wir waren pappesatt! Das war unser tolles Silvestererlebnis 84. Einfach unvergeßlich...

Das Ende ist abzusehen

Von Beginn an machte uns etwas riesengroße Sorgen. Wir waren alle im dienstfähigen Alter und mußten ständig damit rechnen, zur Armee eingezogen zu werden. Das hatte zu dem Zeitpunkt bis auf Fischi jeder noch vor sich. Einberufungstermine waren 2x im Jahr, im Frühjahr und im Herbst. Wie sollte es dann weitergehen? Wir hatten schließlich investiert, Schulden abzuzahlen usw.  Was sollte dann aus der Band werden? Wir hatten uns ja echt was Bedeutendes aufgebaut. Also bangten wir halbjährlich, dass es passiert. Als unbedeutende Amateurband konnten wir auch nicht damit rechnen, alle gemeinsam gezogen zu werden. Das wäre natürlich optimal gewesen. Aber so kam es nicht.

Irgendwann im Sommer '85 verließ uns Fischi, um sich seiner Partnerin zu widmen und eine Familie zu gründen. Wir fanden recht schnell Ersatz in Frank (Franki) Ullrich. Dieser hatte früher mal Schlagzeug in einer Tanzband gespielt, war musikalisch nicht untalentiert. Zudem war er von Beruf Fernsehmechaniker. Für uns optimal, wenn es um die Technik ging.

Franki (sprich Fränki) fügte sich schnell und gut ins Team ein. Er erwies sich als Ruhepol der Band. Immer besonnen und kaum aus dem Konzept zu bringen. Zumindest zeigte er es nicht. Franki kümmerte sich auch um die Anlage und verbesserte erstmal Einiges daran. Und: er brachte irgendwann noch einen seiner Arbeitskollegen mit in die Band. Bernd Scholz (Berndchen). Beide machten gemeinsam die Technik - Ton und Licht. Wieder ein Fortschritt und eine Arbeitserleichterung für uns Musiker.

Zu dieser Zeit passierte dann, wovor wir uns immer gefürchtet hatten: ich erhielt einen Einberufungsbefehl zur Armee. Am 5.November 85 sollte es soweit sein. Wenn ich in ein Objekt in Heimatnähe gekommen wäre, hätten wir mit Einschränkungen weitermachen können. Ich wurde jedoch nach Neubrandenburg gezogen. Das machten die Armeefuzzis gerne. Leute, die sich nicht länger verpflichteten, möglichst weit weg von zu Hause verfrachten. Wie ich den Staat haßte!

Außer mir erhielt kein weiteres Bandmitglied den Wisch. Das bedeutete, dass die Pause wohl länger als 1 1/2 Jahre andauern würde. Was blieb noch zu tun für uns? Wir konnten nur noch unsere Gigs bis Ende Oktober spielen und mußten uns dann für unbestimmte Zeit von der Öffentlichkeit verabschieden.

Aber wir planten noch einen Abschiedsgig in Bleicherode. Wir hatten mittlerweile eine ansehnliche Fangemeinde, und denen wollten wir einfach "Auf Wiedersehen" sagen.

Das klappte auch recht reibungslos und wir machten den Vertrag mit dem Ratskeller in Bleicherode. Ich glaube, es war das letzte Oktoberwochenende 85, als wir dort spielten. Der Saal war bis auf den letzten Platz besetzt - es paßte keine Maus mehr hinein. Alle unsere Fans waren gekommen. Wir hatten den Gig als normalen Jugendtanz geplant. Daraus wurde jedoch nichts. Schon beim Opener stand alles dicht gedrängt vor der winzigen Bühne. Also spielten wir ein Konzert. Das Publikum war wahnsinnig gut drauf. Alles tobte vom ersten Moment an. Ich begann, ein wenig mit den Leuten zu spielen. Mal checken, was man alles anbieten kann. Also wurde mal eben "Heino" mit den "lustigen Holzhackerbuam" und der Schneewalzer gespielt. Die Stimmung war unglaublich. Der ganze Saal machte mit. Wir konnten spielen, was wir wollten. Es wurde ein ganz großes Abschiedskonzert, an dessen Ende wir versprachen, wiederzukommen. Am Schluß lagen wir uns heulend in den Armen. Das Ganze war sehr ergreifend.

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last update: 01.7.2001

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