Bei den ersten Proben stellten wir fest,
dass es ohne Bass nicht so richtig klingt. Was tun? Wir wollten anfangs nicht noch Jemanden mit in die Band nehmen. So einigten wir uns, dass Roman ab sofort Bass spielen solle. Onkel und ich sind kurze Zeit drauf nach Worbis ins
nächstgelegene Musikgeschäft gefahren und haben einen Tschechen-Bass für Roman gekauft. Der war noch Lehrling und hatte keine Kohle dafür. Also legten wir es ihm aus, da wir bereits voll verdienten. Wir überraschten Roman dann bei
der nächsten Probe damit und stellten das Ding einfach auf die Bühne. Er hat sich wahnsinnig darüber gefreut und kam auch gleich gut damit zurecht.Onkel jedenfalls war vom Bandname INJEKTOR so
sehr genervt, dass ich beschloß, was Neues zu suchen. Ich nahm einen Duden, schloß die Augen, schlug eine x-beliebige Seite auf und tippte mit dem Finger drauf. Das war die Namensgebung für YOGA. Einfach und unspektakulär. Und ohne
Bezug zur Band. Das interessierte uns damals aber nicht. Hauptsache, es klang gut. Der Name wurde am 20.2.82 zur Probe offiziell von uns angenommen und unser INJEKTOR-Blues kurzerhand in YOGA-Blues umbenannt. So einfach war das.
Wir wollten uns musikalisch in Richtung Blues orientieren. Zum einen, weil Blues spielen einfach Spaß machte und außerdem war das zu der Zeit sehr populär. Es hatte war Rebellisches, Aufsässiges an
sich. Auf unseren ersten Visitenkarten stand dann auch "Blues und Rock mit YOGA". Desweiteren spielten wir viele Oldies der 60er und 70er Jahre. Die waren einfach einzuüben, da sie recht einfach aufgebaut und strukturiert
waren. Wir brauchten erstmal Erfolgserlebnisse, um durchzuhalten. Für mich war es sehr schwer, Gitarre zu spielen und gleichzeitig zu singen. Ich hatte mit Gesang keinerlei Erfahrung und ein anderer traute es sich nicht zu. Mir
blieb also garnichts weiter übrig als "Augen zu und durch". Das liest sich einfach, war es aber nicht. Es gab ziemliche Reibereien deswegen, welche sogar mehrmals fast zur Auflösung der Band führten. Meine Kollegen fanden
meinen Gesang einfach schaurig. Wir waren oftmals ratlos und wußten nicht, wie wir das Problem lösen sollten. Im Laufe der Zeit wurde es durch hartnäckige Arbeit dann zum Glück besser.
In der DDR
konnte man nun nicht einfach mit einer Band öffentlich auftreten. Man brauchte eine Einstufung. Das war eine staatlich verordnete Spielerlaubnis. Um diese zu bekommen, mußte man sich beim Rat des Kreises, Abt. Kultur anmelden,
hunderte Formulare ausfüllen und sich dann einer Kommission, die aus wenigen fachlich versierten Musikern, dafür aber umso mehr Politfuzzis bestand, musikalisch vorstellen. Da das alle Bands betraf, wurden diese Einstufungsanträge
registriert und, wenn genug zusammengekommen waren, eine öffentliche Einstufung veranstaltet.
Es gab Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe. Außerdem noch die Sonderstufe, die aber nicht vom Rat
des Kreises durchgeführt werden durfte. Das lief dann schon auf Bezirksebene ab und dort waren dann auch professionelle Musiker der Musikhochschule Weimar dabei.
Nach der erreichten Einstufung
richtete sich dann die Gage, die man als Musiker verlangen durfte. Das waren in der Grundstufe 4 Mark/ Stunde, Mittelstufe 5 Mark, Oberstufe 6,50 Mark und Sonderstufe 8,50 Mark.
Wenn man von der
staatlich verordneten Beschneidung der freien persönlichen Entfaltung, die die Einstufung ja darstellte, mal absah, entdeckte ich durchaus auch positive Aspekte darin. Man konnte in der Regel davon ausgehen, dass eine
Sonderstufenband eben besser war als eine mit Mittelstufe. Das war ein guter Gradmesser, wenn man selbst mal zum Tanz ging. So wußte man schon vorher einigermaßen, was einen erwartet. Es gab nicht wenige Veranstalter, die ihre
Bands nach der Einstufung aussuchten. Man hatte also mit der Sonderstufe durchaus gute Chancen, in etliche Häuser reinzukommen, ohne dass einen der Veranstalter erst vorher anhören mußte. Dieser konnte eigentlich relativ blind
darauf vertrauen. Ein Bonus für die Bands sozusagen. Und für uns natürlich ein riesiger Ansporn, immer besser zu werden. Wir meldeten uns also für die Einstufung an, die im November 82 stattfinden sollte.
Onkel wechselte übrigens recht bald von der Bluesharp an die Lichttechnik, da die Bühne wohl doch nicht so sein Ding war. Und wir bekamen weiteren Bandzuwachs. Mein ehemaliger Klassenkamerad und Freund Hartmut
(Fischi) Fischer war ein Elektronikfreak. Er sollte die Tontechnik machen und kam auch sehr bald recht gut damit zurecht. Außerdem hatte sein Vater einen "Lada" mit Anhängerkupplung, den wir später zum Transport der
Anlage nutzen konnten. Man mußte in diesen Zeiten immer ein wenig praktisch denken. Der nächste widrige Umstand in der DDR war nämlich die Tatsache, dass man sich nicht so ohne Weiteres als Privatperson einen Transporter kaufen
konnte. Das heißt, kaufen schon. Aber man bekam ihn nicht zugelassen. Der Grund dafür lag darin, dass die Staatsbonzen Angst hatten, dass Jemand mit einem Transporter Schwarzfuhren machen und so zu Reichtum gelangen konnte. Dem
wurde damit ein Riegel vorgeschoben.
Nun blieb manchen größeren Bands wirklich keine andere Möglichkeit, ihr Equipment per LKW zu transportieren. Das wußten die Staatsaffen auch. Also wurde dafür
eine Regelung geschaffen, die für das gesamte Ressort Kultur galt. Es gab ein Kontingent an Nutzfahrzeugen in einem Fahrzeugkontor in Erfurt. Diese Fahrzeuge waren ausgemusterte Kisten von der Armee und von staatlichen Firmen. Aber
noch einigermaßen in Schuß. Das Kontingent wurde nach bestimmten Kriterien an angemeldete Institutionen und Personen vergeben. Zuerst waren Kino's und andere staatlich bedürftige Kulturschaffende an der Reihe (Theater usw.). Danach
kamen die Bands anhand ihrer Einstufung. Berufsmusiker also zuerst, dann Sonderstufe, Oberstufe usw. In der Praxis sah das dann so aus, dass schon eine Oberstufenband nicht die geringste Chance hatte, auf diese Art jemals zu
einem LKW zu kommen. Das Kontingent war immer zu gering, als dass es für alle gereicht hätte.
Wir haben es dennoch auf ganz abenteuerliche und unkonventionelle Weise geschafft, einen LKW
zugelassen zu bekommen. Dazu später.
Zunächst standen erstmal viele Proben für die Einstufung an. Anfang Mai 82 fragte uns ein Verantwortlicher vom Klubhaus, ob wir am 26.6.82 zum Abschlußfest
einer 10.Klasse im Klubhaus spielen wollen - 3 Stunden Programm. Wir sagen, obwohl ohne Einstufung, dennoch zu. Martin Meißner, Keyboarder der Bleicheröder Band "LIVE", mit welchem ich gut befreundet war, fragt mich, ob
er uns am 26.6. unterstützen soll. Dieser Vorschlag wird von uns allen mit großer Begeisterung aufgenommen. So machte Martin den Vertrag und wir spielten praktisch über LIVE's Einstufung. Es soll 350.- M für den Gig geben.
Dieser läuft dann auch recht zufriedenstellend ab außer einem unschönen Ereignis. Bei der Essenbestellung geht was schief, so dass Onkel keine Musikerforelle (Bockwurst) kriegt. Daraufhin stellt er
sich stur und macht keine Lichttechnik mehr. Wir hatten seit längerem Zoff mit ihm und so steigt er an dem Abend aus der Band aus, da er keine Lust mehr hat. Der erste Bandausstieg bei YOGA. Für ihn steigt Kerstin Sisolefski, meine
damalige Freundin, an der Lichttechnik ein.
Mittlerweile sind wir innerhalb des Klubhauses mit unserer Probemöglichkeit umgezogen. Und zwar unter die Bühne. Das hat den Vorteil, dass wir unsere
Anlage nicht jedesmal die Treppen hochschleppen müssen zum Proben. Nachteil: keine Heizung, also im Winter nicht brauchbar.
Fischi meint, dass wir im Garten seiner Eltern einen Proberaum bauen
könnten. Die wollen sich sowieso einen neuen Schuppen bauen, welcher aber nicht ausgelastet werde. Wir sind begeistert. Die nächsten Wochen verbringen wir immer wieder dort, um Gräben für das Fundament auszuheben, einzuschalen, das
Fundament auszubetonieren. Aber das ganze Ding hat keine Hand und kein Fuß. Irgendwann geht's nicht mehr weiter und läuft sich tot, wahrscheinlich aus Materialmangel. Arbeit umsonst.
Am 22.10.82
erfahre ich, dass unsere Einstufung am 27.11.82 in Nordhausen stattfindet. Beginn 9 Uhr. Wir sollen eine Liste mit 50 Songs abgeben und davon 3-4 Stück ankreuzen. Die Kommission kreuzt weitere 3 Titel an und diese 6-7 Stücke müssen
wir dann zum Vortrage bringen. Na ja...
Wir bringen es auf maximal 40 Songs. Also müssen wir ein wenig tricksen. Wir wissen auch schon, wie. Wir lassen uns 4-5 instrumentale Eigenkompositionen
einfallen. Diese bekommen 10 Namen. Da keiner außer uns die Lieder kennt, kann da nichts passieren, sollte die Jury tatsächlich 3 dieser Nummern auswählt. Das hat sogar noch den Vorteil, dass es von der Jury Pluspunkte gibt, wenn
man Eigenes spielt. Gesagt, getan.
Eine unerfreuliche Tatsache ist, dass Techniker seit 1973 nicht mehr eingestuft werden. Warum, ist uns ein Rätsel. Nicht zu ändern.
Am 28.10.82 erfahren wir, dass wir vom Klubhaus einen neuen Proberaum bekommen. Ich muß an dieser Stelle mal die Leute von dort, insbesondere das Engagement von Peter Weinert loben. Man kümmert sich wirklich
aufopferungsvoll und rührend um uns und unsere Probleme.
Unser Proberaum ist von nun an am Festplatz in Bleicherode. Da gibt es ein kleines Häuschen mit 2 Umkleide-und Aufenthaltsräumen für
Festplatzveranstaltungen sowie einem Technikraum. Einen der Umkleideräume dürfen wir zum Proben nutzen. Echt super! Wir bekommen unseren eigenen Schlüssel, stören dort Niemanden und können proben, wann immer und so lange wir
wollen. Das wird in den nächsten 4 Wochen dann auch ausgiebig genutzt zur Vorbereitung für die Einstufung.
Am 27.11.82, also gut 1 Jahr nach Gründung der Band ist es geschafft! YOGA hat seine
erste Einstufung hinter sich und die Mittelstufe erreicht. Es war ein stressiger Tag, hat sich aber letztlich gelohnt. Ich muß dazu bemerken, dass es unüblich war, dass eine neue Band die Grundstufe überspringt und gleich die
Mittelstufe erreicht. Wir waren jedenfalls äußerst zufrieden.
Das mußte natürlich ganz groß gefeiert werden! Die Party lief dann allerdings doch eher verhalten ab, da wir alle zu sehr gestreßt
waren von den vergangenen Stunden, Tagen, Wochen.